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Thomas Daiber

Das Ikonenbuch als Genre und als Chance.

Am Beispiel von:
1. Konrad Onasch, Annemarie Schnieper: Ikonen, Faszination und Wirklichkeit, Freiburg i. Br., Basel, Wien: Herder 1995, 301 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.
2. Ivan Bentchev, Engelikonen, Machtvolle Bilder himmlischer Boten, Freiburg i. Br., Basel, Wien: Herder 1999, 240 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.

     1. Konrad Onasch als Hauptautor (Klappentext) verschmähte es schon früher nicht, ostkirchliche Themen auf allgemein verständliche Weise darzustellen, und hat speziell im Feld der Ikonenkunst allein in den 60er Jahren drei Monographien erscheinen lassen. Nun hat Onasch zusammen mit Annemarie Schnieper das Genre „Ikonenbuch“ um eine neue Variante bereichert. Der Rezensent kann nicht versuchen, die Anteile beider Autoren zu sondern.

     In einem ersten Kapitel über die „Anfänge der christlichen Bildkunst“ (S. 9–21) wird die Entwicklung der Ikonenmalerei nach ihren ikonographischen (ägyptisches Mumienporträt, antike und hellenistische Bildwerke) und theoretisch-religiösen Modifikatoren (bes. Ikonoklasmus) eingeführt. Darauf — ein dazwischengeschobenes Kapitel besprechen wir am Schluss — wird die Ikone nach geographischen („Ikonenzentren und –schulen“, 31–99) und nach thematischen Kriterien („Bildthemen“, 101–231) dargestellt. Schließlich folgen Bemerkungen zu den materialen („Maltechniken und Bildträgermateralien“, 233–259), ikonographischen („Die Bildsprache der Ikone“, 261–273) und rezeptionsästhetischen Eigenheiten des Tafelbildes („Die Ikone als Kunstbild“, 275–288). Damit ist das genretypische Programm („Woher kommt die Ikone?“, „Wo wurde gemalt?“, „Was wurde gemalt?“ und „Wie wurde gemalt?“) genau abgesteckt und es wird auch von den beiden Autoren erfüllt.

     Den Haupttext begleiten zum Teil umfangreiche Erläuterungen auf dem Rand der Seite zu den zahlreichen Abbildungen, die das Gesagte zusammenfassen, manchmal auch mit neuen Informationen ergänzen. Einige Missverständnisse — sichtbar dort, wo der Text anhand der Abbildung überprüfbar ist — sind vielleicht durch Autorenwechsel verursacht: Die Aufschriften auf der bekannten koptischen Ikone von Christus und Menas sind griechisch, nicht koptisch (17), das Alphabet auf dem Spruchband einer Ikone Kyrills und Methods dagegen kyrillisch und nicht glagolitisch (56). Weshalb soll eine Christus-Emmanuel-Ikone von Simon Ušakov 1697 gemalt worden sein, wenn auf ihrem unteren Rand der Name Michail Miljutin aufgeschrieben steht (134)? Auch die Umschriftpraxis ist nicht einheitlich; die Nichtbezeichnung der Palatalität des auslautenden Konsonanten bei „Rus“ (76) oder „Kreml“ (78) ist eingebürgert, „orušeinaja“ statt 'oružejnaja' (90), „vladika“ statt 'vladyka' (128), und „kljava“ statt 'kljatva' (28) sind normale Schreibversehen, aber die Transliterierung „Silvestr“ (89) besteht schlecht neben der Transkribierung „Alexej“ oder „Josiff“ (91). Philologische Maßstäbe müssen nicht an eine populärwissenschaftliche Veröffentlichung angelegt werden, denn sonst müssten wir beispielsweise auch diskutieren, ob die Kyrillica wirklich aus der Kursive (50) oder nicht doch, wie die meisten meinen, aus der Majuskel des griechischen Alphabets erwuchs, oder ob das „Hausbuch“ (= Domostroj) wirklich von Silvestr geschrieben wurde (wie die Formulierung [89] suggeriert) oder nur von ihm die entscheidende Redaktion erhielt usw.

     Geht man von der philologischen Mikrobetrachtung ab und betrachtet die Einzelkapitel, die sich hinter den großen Textblöcken verbergen, wird sofort klar, in welcher Allgemeinheit das Autorenpaar reden musste.

     Von den 68 Seiten des ersten Themenblockes (31–99) sind 22 für ganzseitige Illustrationen, eine oder mehrere Ikonen zeigend, reserviert. Von den verbleibenden 46 Seiten gibt es keine einzige ohne eine oder mehrere Abbildungen. Dieser Befund — übrigens für das ganze Buch repräsentativ — lässt geschätzte 40 Seiten reinen Text in diesem Kapitel übrig, der in zwei Blöcke gegliedert (Byzantinische und Russische Tradition) insgesamt 22 Ikonenmalzentren und- schulen vorstellt. Die erwartbaren rd. 2 Seiten pro Zentrum bzw. Schule werden ziemlich gleichmäßig etwa der „Palaiologischen Renaissance“, „Bulgarien, Makedonien“, der „Stroganov-Schule“ oder den „Altgläubigen“ zugeteilt. Zwar konnte auf diese Weise keine detaillierte Abhandlung zustande kommen, jedoch — und dies finde ich sehr begrüßenswert — ein stichwortartiger, durch reiche Illustration unterstützter Überblick über die Fülle der Ausprägungen, welche die Ikone zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten erfuhr.

     Wie schon aus der diskussionswürdigen Grobunterteilung dieses Kapitels deutlich wird (ist die russische Ikonenmalerei nicht auch eine Fortsetzung der byzantinischen Tradition?), liegt das Schwergewicht der Darstellung deutlich auf der russischen Ikone, was aus der wissenschaftlichen Biographie Onaschs ebenso resultieren dürfte, wie die Konzentration auf russische Ikonen überhaupt dem Genre Ikonenbuch eigentümlich ist.

     Neben merkantilen liegen hier auch apologetische Notwendigkeiten vor. Zu den Verkaufszielen des Genres gehört es, eine diffuse Fremdheitsfaszination des westlichen Publikums zu befriedigen, und da das Publikum mit Ikonenfrömmigkeit vor allen Dingen die entfernteste, russische, verbindet, werden ihm die russischen Ikonen bevorzugt und genau im Sinne des Untertitels als Faszinosum angeboten. Neben der — nicht an sich negativen — Verkaufsträchtigkeit des Genres Ikonenbuch ist dessen westlicher Variante aber auch eine apologetische Argumentation zu eigen, die ich kritischer beurteile.

     Mit Rücksicht auf das faszinierte Zielpublikum hat das westliche Ikonenbuch die Tendenz, die Ikone nicht nur als Gegenstand der Kunst zu beschreiben, sondern auch in ihrem Anspruch, ein wahres Bild mit transzendenter Botschaft zu sein, zu verteidigen. Im Gegensatz etwa zu russischen Ikonenalben, die themenbezogen entweder einzelnen Malern oder Ikonenmalzentren zugewandt sind, liest sich das für westliche Leser verfasste Ikonenbuch oft gleichzeitig wie eine Apologie der Ikonenverehrung. Eine Ausnahme machen auf deutscher Seite nur themenbezogene Ausstellungskataloge oder Monographien, die zumeist von kunstwissenschaftlicher Seite geschrieben werden wie etwa das anschließend zu besprechende neue Buch von Bentchev.

     Bei dem populären Genre „Ikonenbuch“ wird dagegen die kunstgeschichtliche Thematik präludiert von einer historisch-theologischen Darstellung und Verteidigung der byzantinischen Ikonenverehrung. Die apologetisch präludierte Darstellung der Ikone führt zwangsläufig dazu, russische Ikonen in den Vordergrund zu stellen, da sich diese aufgrund der geographischen und kulturellen Bedingungen am weitesten von westlichen Einflüssen fern halten konnten, wenngleich diese doch auch nachweisbar sind, und weil vor allen Dingen die russischen Ikonen das byzantinische Bildkonzept — vgl. Hans Beltings „Bild und Kult, Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst“ (1990) — in einer Konsequenz verfolgen, die in anderen Regionen so nicht beobachtbar ist, sei es, weil das Nebeneinander zweier Kirchen wie in der Ukraine die Bildgestaltung nachhaltig beeinflusste, sei es, weil der theologisch-ästhetische Diskurs aufgrund einer regionalen Sonderentwicklung in den Hintergrund trat zugunsten einer formal sehr abweichenden Darstellungsart, wie etwa auf rumänischen Hinterglasikonen. Es hielte sehr viel schwerer, eine Heiligkeit des Ikonenbildes an den bäuerlich gestalteten, farbenfrohen rumänischen Darstellungen aufzuweisen als an den vergeistigten und symbolisch zunehmend komplizierten russischen Ikonen.

     Leider entsteht durch die wechselseitige Korrespondenz zwischen der auf religiöse Faszination geeichten Publikumserwartung und der apologetischen Darstellung der Ikone anhand der russischen eine gewisse Lücke auf dem Büchermarkt, was die umfassende Darstellung ukrainischer, galizischer, polnischer oder rumänischer Ikonen betrifft. Auch die südslavischen Ikonen sind vernachlässigt.

     Erwartbar in der Auswahl, aber dennoch lehrreich ist das Kapitel über die „Bildthemen“ (101–231). Nach obiger Rechnung bleiben pro Sujet eine oder zwei Seiten, und dies ist auch ein in dieser Kürze akzeptabler Umfang, wenn es darum geht, die Ikonographie eines bestimmten Typs durch Abbildung mehrerer Exemplare und Erwähnung der zugehörigen biblischen bzw. liturgischen Texte vorzustellen. Auf dem Gebiet der Sujetsammlung finden die oft bereits byzantinisch vorbereiteten Themen natürlich die größte Aufmerksamkeit, und so auch bei Onasch/Schnieper (die vorherrschend beschriebenen Themen sind: Christus, Maria, Engel, Heilige). In der Literatur noch unterrepräsentiert sind Darstellungen der späteren „allegorischen“ Ikonensujets, wie sie regional – vor allen Dingen in Russlands Norden – entstanden sind.

     Ebenfalls nützlich sind die abschließenden Bemerkungen zu speziellen Darstellungsformen (wie etwa Viten- oder Votivikonen) bzw. zu Maltechnik und Bildträger. Die beiden letzten Kapitel über die Bildsprache der Ikone und ihr ästhetisches Programm als Kunst des „Erhabenen“ erscheinen mir am gelungensten, da hier visuelle Betrachtungskategorien kompetent mitgeteilt werden, die dem Leser nicht sagen, was er zu sehen hat, sondern wie er sein Sehen reflektieren könnte. Diese letzten beiden materialreichen Kapitel möchte ich ausdrücklich als gelungen hervorheben.

     Das den Band beschließende „Sachregister“ (im Inhaltsverzeichnis „Index“ genannt) erleichtert die Auffindung von Abbildungen bestimmter Sujets gerade für die ikonographisch Interessierten.

     Ich kehre nun nochmals zu meinen obigen Bemerkungen betreffend die apologetische Tendenz des Genres Ikonenbuch zurück, weil sich hier unsachliche und inkonsequente Argumentation mit einer schwer erträglichen zeitgeistigen Anbiederung verbinden.

     Es ist sicher unvermeidlich, dass die Autoren bei der Erläuterung der Bildthemen, da sie keinen Raum zur detaillierten Analyse hatten, oft sehr empfindungsreich argumentieren. Meiner Auffassung nach ist der Versuch, die Physiognomie der auf Ikonen dargestellten Personen mit jener realer Menschen zu vergleichen, gänzlich sachfremd (die Ikone ist das Gegenteil von realistischer Wiedergabe): „Der Einfluss einheimisch-finnischer Bevölkerung auf die Gestaltung der Antlitze heiliger Personen“ (81), der den Novgoroder und Pskover Ikonen unterstellt wird, ist mir ebenso schwer nachvollziehbar, wie die analoge Behauptung zu Petersburger Ikonen, dass hier „Bilder … von Männern, wie man sie wohl auf den Straßen von Sankt-Petersburg hätte antreffen können“ (95), vorlägen. Sich bei den „stolzen Heiligenfiguren beiderlei Geschlechts“ „an Gestalten des georgischen Nationalballetts erinnert“ (68) zu fühlen — es geht natürlich um georgische Ikonen — streift für meinen Geschmack den Kitsch und ist als Argumentationshaltung formal zweifelhaft. Natürlich ist eine Beziehung zwischen der alltäglichen Wahrnehmung des Ikonenmalers von den Menschen seiner Umgebung und dem Menschenbild, wie er es auf der Ikone darstellt, nicht auszuschließen. Aber dies ist sicher keine unmittelbare Entsprechung, sondern zunächst einmal eine mehr oder weniger starke Mischung verschiedener ikonographischer Traditionen, aus welcher der subjektive, mimetische Anteil des Malers schwer (und impressionistisch schon gar nicht) herauszufiltern ist. Neben solchen allzu empfundenen Bemerkungen stehen kleinere Widersprüche (wie zwischen S. 109 bzw. 279, wo der Ikonengestaltung ein zur realistischen Darstellung neigender, auch humorvoller Wirklichkeitssinn zugesprochen, und S. 125, wo er vielmehr abgesprochen wird) oder auch jene immer wiederholte, dadurch aber nicht wahrere Falschmeldung von der „liturgisch bestimmten Farbenwahl“ (96) der Ikone, welche suggeriert, die Farben seien symbolisch irgendwie deutbar und pro Sujet auch festgelegt. Die symbolische Deutung ist nachträglich, und die Farbwahl alles andere als vorgeschrieben, wovon sich jeder überzeugen kann, der einmal ein bestimmtes Sujet in einer ganzen Reihe von Exemplaren überblicken will: „Die blaue Farbe, die sie (z. B. in der Hagia Sophia) kennzeichnet, wird als Symbol der Luftsphäre gedeutet, aber fast so oft werden sie auch in Rot gemalt, womit die vielzitierte Farbsymbolik mehr als fraglich wird“ (Bentchev 1999, 34). Auch die der Ikone nachgesagte „strenge Bindung an einen Text“ (261) ist in dieser Allgemeinheit einfach eine falsche Behauptung, denn es wird damit suggeriert, dass die bildliche Darstellung der Bibel bzw. den schriftlich fixierten Glaubenslehren folge, was einfach nicht stimmt: Wenn wir einmal nicht Ikonen betrachten, wie sie uns in den Ikonenbüchern und den Ausstellungssälen der Museen (oft im restaurierten Zustand) vorgeführt werden, sondern wenn wir uns in die Magazine der Museen begeben, stehen wir plötzlich vor der Aufgabe, etwa die Hälfte aller Ikonen nach dem Maßstab der Malerhandbücher und der als Vorbilder propagierten Ikonen ästhetisch als misslungen bzw. theologisch als zweifelhaft ausschließen zu müssen. Im Petersburger Russischen Museum etwa finden sich genug Ikonen — zumeist nördlicher Provenienz —, welche die von der offiziellen Kirche untersagte Namensbeischrift „Herr Zebaoth“ tragen oder alle (!) Namen der Erzengel anführen, und deren Farbgestaltung keineswegs zu den als vorbildhaft gepriesenen Mustern der Ausstellungssäle passen will. Sind diese Ikonen also „falsch“? Im Falle der Darstellung Gottvaters in menschlicher Gestalt als Greis („Zebaoth“) wird etwa — wie Bentchev (1999, 80) weiß — gegen eine Synodalvorschrift von 1667 verstoßen. Wie steht es nun mit dem Verhältnis von Ikone, Schrift und Theologie? Beschäftigt man sich genauer mit den Aufschriften auf Ikonen, wird man auch feststellen, dass 'Schriftgemäßheit' eine problematische Sache ist, wenn sie sich als Schriftgemäßheit mit apokryphen Texten darstellt und/oder mit Texten, die in ihrer auf der Ikone geschriebenen Form erst im Laufe einer redaktionellen Zurichtung bzw. Entstellung in Russland entstanden sind. Diese Probleme werden im russischen und westlichen wissenschaftlichen Schrifttum diskutiert. Die populäre Variante des Ikonenbuches macht die Ikone heiliger, als sie ist.

     Nun will — wie gesagt — das Buch von Onasch und Schnieper eine Einführung sein, weshalb wir nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Aber dieselbe empfindungsreiche Argumentation, welche die Beschreibung der Bildthemen färbt, bestimmt auch die genretypische Apologie der Ikone, und hier, wo es um das Kernproblem geht, muss man widersprechen.

     Die Fremdheit des östlichen Kultbildes ist ja weniger eine der Bildthemen (und gerade die von Onasch/Schnieper abgehandelten Bildthemen sind die überkonfessionell bekannten), sondern vielmehr eine des Bildkultes. Dabei wird gerne unterschlagen, dass sich der Bildkult ebenso wie die Bildgestaltung selbst (und beide einander ergänzend) über Jahrhunderte entwickelte. Die Ikone entsteht vorikonoklastisch und wird im Ikonoklasmus und dann in der nachikonoklastischen Phase der Konsolidierung zur heute geläufigen Form geprägt. Ebenso entwickelte sich auch die Theorie der Bilder, die vom praktisch ausgerichteten Basilius ('Biblia pauperum') des 4. Jhs. über den theoretisch und mit Legenden argumentierenden Damaszener (das Bild muss zur Sicherung der 'Schriftgemäßheit' beschriftet sein) des 8. Jhs. bis hin zum ekstatischen Studiten (das Bild ist dem Wort überlegen, d.h. die Bibel muss zur Sicherung der 'Schriftgemäßheit' [?] bebildert werden) des 10. Jhs. reicht. Unhistorisch argumentiert jeder, der die Äußerungen des vorikonoklastischen Basilius zur Verteidigung des nachikonoklastischen „wahren“ Abbildungsanspruches heranzieht.

     So taugt es nicht zur Argumentation, wenn man die Diskussion der nachikonoklastischen Bilderverehrung mit der Bemerkung beruhigt, dass „über den schwierigen Gedankengängen der Bildertheologen … das Wort des Kirchenvaters Basilius des Großen“ (19) nicht vergessen werden sollte, der die Funktion der Ikone analog zum kirchlichen Bild der Westkirche als bildliche Verkündigung bestimmte. Hier muss man sich entscheiden: Entweder man diskutiert die Ikone als Gedächtnisstütze für Illiterate (funktional wie die westliche Sakralkunst in der Bestimmung von Basilius d. Gr. oder Gregor d. Gr.), oder man diskutiert die Ikone in ihrem Anspruch, das wahre Abbild des transzendenten Urbildes zu sein — und dann hilft Basilius (330–379) nicht mehr weiter. Wer die nachikonoklastische Ikone in ihrem Anspruch auf Wahrheit ernst nimmt, der muss schon zum Studiten († 826) greifen: „Wenn das, was wegen seiner Abwesenheit [nur] geistig geschaut werden kann, nicht auch in bildlicher Darstellung geschaut wird, verschließt es sich auch dem geistigen Blick!“ (übers. von G. Lange 1969; zit. in Th. Daiber: Aufschriften auf russischen Ikonen. Freiburg i. Br. 1997, 49). Mit Theodor von Studion wird man fast nicht mehr von einer Schriftgemäßheit der Ikone, sondern vielmehr von einer Bildgemäßheit der hl. Schrift sprechen müssen, und diese Position (die Schrift erinnert an das Bild) steht der basileischen (das Bild erinnert an die Schrift) diametral entgegen.

     Nun ist der orthodoxen Glaubensauffassung ein gewisses rekursives Element eigen, welches erlaubt, Basilius neben dem Studiten gleichermaßen anzuerkennen. Dagegen ist nichts weiter zu sagen, als dass diese Rekursivität vielleicht ehrenwert, aber nicht wissenschaftlich sein kann. Auch in einer populären Schrift, wo von vornherein die Gefahr besteht, dem faszinierten Publikum nur seine Faszination zu bestätigen, muss man auf eine gewisse Reinheit der Argumentation dringen. Vielleicht spürt man bei Betrachtung von Ikonen „jene religiöse Atmosphäre, die sich durch die Riten und Gebete bei den verschiedenen Arbeitsgängen der Ikonenmalerei dem Betrachter mitteilt“ (95), aber das bleibt subjektiv und ist außerdem stark augenklappenbedingt, wenn man an die fabrikmäßige Produktion von Ikonen ab dem 17. Jh. denkt.

     Trotzdem hätte ich auf eine Polemik mit den Sakrifizierungstendenzen in dem Buch von Onasch/Schnieper verzichtet, wenn nicht darüber hinaus in einem einführenden Kapitel über „Symbole: Ursprung und Bedeutung“ (22–29) versucht worden wäre, das Symbol an sich zu einem Träger irgendwelcher metaphysischen Wahrheiten zu machen. Hier wird es so krude, dass man einen Blick darauf werfen und sich fragen muss, wozu die Autoren dieses nötig haben.

     „Das Reich der Symbole: für uns heute eine weithin dunkle und rätselhafte Welt, für die Menschen der Vergangenheit Lichtträger im Zwielicht der Lebensrätsel“ (22), so hebt der Abschnitt zu künden an, und nun wird nicht erklärt, sondern schwadroniert. Einerseits wird behauptet, dass Symbole „wesensmäßig“ sowohl an der hiesigen Welt, als auch „einer anderen Welt“ „teilhaben“, andererseits aber im nächsten Satz konzediert, dass sie „Geschöpfe des menschlichen Geistes“ seien. Genau dies ist aber auch die Frage angesichts der Ikone: Ist sie aus einer 'weithin dunklen und rätselhaften' Erfahrung erwachsen, oder ein 'Geschöpf des menschlichen Geistes'? Die Autoren halten sich bedeckt. Einerseits wird die Venus von Willendorf einer russischen Gottesmutterikone kontrastierend entgegengesetzt, wobei der Ikone bescheinigt wird, „nichts gemein“ zu haben mit der steinzeitlichen Plastik (23), andererseits wird den Symbolen eine „tiefste Sinngebung“ (28; dort am Beispiel der Zahlenmystik) bescheinigt, so dass der Leser sich bedienen kann: Er darf sich aufgeklärt fühlen und Symbole als bloße Produkte des menschlichen Geistes betrachten, er darf aber auch erschaudern angesichts der sinnstiftenden Möglichkeiten.

     Was soll das? Es gibt die wissenschaftliche Möglichkeit, ikonographische Traditionen herauszustellen und auf diesem Wege einzelne symbolhafte Darstellungen — beispielsweise das christliche Kreuzsymbol (26f.) — in die vorchristliche Antike zurückzuverfolgen. Und es gibt den Versuch der Suggestion, indem nämlich unter Hinweis auf das Alter und das Auftreten des Symbols in den verschiedensten religiösen Praktiken Stimmung gemacht wird nach dem Motto „was so alt ist und von so vielen Menschen verehrt wurde, muss irgendeine innere Kraft besitzen“. Dieser Stimmungsmache dient das Symbolkapitel, das ich mich einfach nicht entschließen kann, einem auch von mir bewunderten Autor wie Konrad Onasch zuzuschreiben.

     Aber gleichviel — wir stehen an der Quelle der Faszination. Die Faszination an der Ikone erwacht ja nicht zufällig zu Beginn des 20. Jhs. als der Versuch, die am Kunstwerk in Zeiten seiner technischen Reproduzierbarkeit vermisste Aura (Walter Benjamin) genau im Zentrum seiner Massenanfertigung wiederzufinden. Die im 19. Jh. kulminierende Verehrung des originalen, singulär in einem prophetischen Genie offenbarten KUNSTwerks wird im 20. Jh. abgelöst von der Verehrung des kunstWERKS, letztlich der Serienproduktion, wobei das Faszinosum der Serie in der endlosen Reproduktion eines offenbar ewigen Urbildes liegt. Ist es ein Zufall, dass die Ikone zugleich mit dem Aufkommen der Moderne floriert, und zwar bei so unterschiedlichen Geistern wie etwa Javlenskij oder Maleviè (um nur russische Namen zu nennen)?

     Die Faszination der Serie als realisierte Emanation eines unwandelbaren Produktionsgrundes wirft die Frage nach dessen Wesen auf – und genau hierhin passt das einleitende Symbolkapitel. Es liefert den unwandelbaren Urgrund der Serie seit der Steinzeit in Form einer Symbolanschauung, die eigentlich gar keine ist, sondern nur ein Gefühl im Sinne des „New Age“, in dem es immer 'multikulti' und vor allen Dingen auch archetypisch zugehen muss. Das einleitende Symbolkapitel bedient politisch korrekt alle jenen, die fasziniert sein wollen. Es hat dieselbe Unentschiedenheit wie die anschließenden apologetischen Bemühungen Onasch/Schniepers. Genauso, wie sich der Leser angesichts der Ikonenapologie Onasch/Schniepers aussuchen darf, ob er ewige Wahrheiten in der Ikone sehen (wie der Studit), oder sie doch lieber auf demselben Rang wie die westliche Sakralkunst betrachten will (wie Basilius), ebenso darf er sich aussuchen, ob er die Symbolik der Ikone für die Zeichen aus einer anderen Welt oder doch nur für Produkte des menschlichen Geistes hält. Was ihr wollt.

     Ich hätte den Band von Onasch/Schnieper gerne vorbehaltlos empfohlen, kann dies aber nur stellenweise, denn dieses Ikonenbuch macht dort, wo es nicht über Themen und Techniken, sondern über das Wesen des Gegenstandes reden will, einen zwielichtigen zeitgeistigen Schlenker durch Kulturen und Symbole, gedacht für jene Spiritualität, die sich zwischen Kritik und Verfallenheit an Produkte des menschlichen Geistes nicht entscheiden kann. Dieser Befund macht den Band allerdings zeitgeschichtlich interessant (und schien es mir wert, herausgestellt zu werden); er gibt auch die Richtung vor, in welche ein nächstes Ikonenbuch gehen könnte: Von ihm wünschen wir uns, dass eine soziologisch-kulturell ermittelte Studie über die Rezeption der Ikone im westlichen Kulturraum die Einleitung bildet.

     

     2. Ivan Bentchevs Monographie über Gottesmutterikonen (Bonn 1985) ist längst zu einem Standardwerk geworden; sein neuestes Buch, wiederum thematisch orientiert, handelt von „Engelikonen“ (1999).

     Bentchev reflektiert in seinem Vorwort (6) die zuweilen auch gegensätzlichen religiösen und kunstwissenschaftlichen Interessen an der Ikone, verweist, ohne sie abzulehnen, die Erfahrung des „spirituellen Inhaltes“ auf die meditative Betrachtung, macht sich aber zur Aufgabe, kunstwissenschaftlich so rational über Ikonen zu schreiben, dass das Geschriebene nachvollziehbar ist, ohne dabei der Glaubenserfahrung zu nahe zu treten. Noch deutlicher wird Bentchev zu Beginn des ersten Kapitels, wo er die „Angelomanie“ des „New-Age-Zeitalters“ (12) und die in dessen Gefolge ventilierten „postmodernen“ (13) Spekulationen über den theologischen und ikonographischen Gehalt von Engelsdarstellungen als inhaltsfremde Spekulation zurückweist. Dies ist kein Rückzug in veraltete Betrachtungsweisen, sondern vielmehr ein entscheidender Schritt, um die Würde des Gegenstandes zu wahren: „weil es der religiöse Inhalt ist, der das christliche Bild definiert“ (10), besteht Bentchev auf dem Wissen um theologische Probleme und dessen ikonographische Formeln; weil die Ostkirche im Gegensatz zur Westkirche aus einem „normativen Geist“ heraus die Inhalte konservativer behandelt, sind ihre Produkte eben auch anhand dieser Inhalte zu deuten und nicht für sollipsistische Faszinationserlebnisse zu missbrauchen.

     Bentchevs Buch ist inhaltlich geordnet, nämlich auf dem Hintergrund historisch abfolgender theologischer Positionen zur Engelsfrage. Die Engel werden im Kontext des Alten (56–77) und des Neuen Testamentes (78–132), der Apokryphen und Kirchenfeste (132–167) sowie der theologisch-exegetischen Literatur („Allegorisch-emblematische Ikonen“, 168–191) behandelt. Zusätzlich erscheinen ein Kapitel über die Muttergottes (192–201), eines über Heilige mit Engeln (202–217). Neben der informativen Feingliederung der Kapitel erhöhen ein beigegebenes Glossar und ein Register die Benutzbarkeit des Bandes. Das ausführliche Gespräch mit der Sekundärliteratur ist in Hunderten von Fußnoten dokumentiert, slavische Wörter sind korrekt transliteriert. Wie bei dem Buch von Onasch/Schnieper darf man auch bei Bentchevs Buch die gesamte Seitenzahl in etwa halbieren, um den reinen Textumfang zu schätzen.

     Der inhaltlichen Darstellung der verschiedenen ikonographischen Typen von Engelikonen hat Bentchev ein Kapitel über die Vorstellungen von Engeln in den biblischen und Kirchenväterschriften vorangestellt (8–55, wobei 8–13 methodische Einleitung sind). Die Stärke dieses Kapitels besteht vor allen Dingen in einer zusammenfassenden Charakterisierung der verschiedenen Engelsgestalten und der Nennung ihrer literarischen und ggf. ikonographischen Quellen. Auf die Genesis des christlichen Engelsbildes aus der Figur der römischen Victoria (wie sie auf Münzen belegt ist; vgl. 46f., zuvor — 26 — wurden auch die Darstellungen von Sumerern, Babyloniern und Ägyptern genannt) wäre hinzuweisen, sowie auf die verschiedenen antiken Vorbilder der Engelsattribute (52–55). Wichtig erscheint mir der Hinweis, dass die Ikonographie sich vor allen Dingen in der monumentalen Malerei — etwa in der Freskenmalerei der Kirchenwände — entwickelte (44), und die heute einzeln überlieferten Engelikonen zumeist Teil einer größeren Komposition innerhalb der Ikonostase waren, autonome Engelsdarstellungen in der mittelalterlichen Kunst aber selten angetroffen werden (32). Vielleicht kann man den Bildformatwechsel ab dem 16. Jh. dahingehend deuten, dass die nun für Haus und Mönchszelle bestimmten kleinformatigen Engelikonen auch ein „privateres“ Verständnis der Engelsfunktion andeuten? Zum Wechsel von Öffentlichkeit zu Privatheit gehört ein terminologisches Schwanken bei Bentchev, welcher vom Begriff „Symbol“, mit dem er fast überall die Zeichenfunktion der Ikone bestimmt (etwa 46, 49), stellenweise zur „Metapher“ (zweimal 58) wechselt. Ist das Symbol ein konventionelles und damit auch kulturell kodiertes Zeichen, so die Metapher (unter Absehung der sog. lexikalisierten Metaphern) vielmehr ein nichtkonventionalisiertes, individuelles Zeichen als Ausdruck einer individuellen Wahrnehmung (es ist in diesem Zusammenhang interessant, dass jüngere, kritische Einführungen in die Psychoanalyse nicht von Symbolen, sondern Metaphern des Unbewussten sprechen). Mir scheint hinsichtlich der auf einen überindividuellen Inhalt gerichteten Zeichenfunktion der Ikone der Begriff „Symbol“ der richtige, allerdings in Variation mit dem Begriff „Allegorie“ dort, wo es sich um eine Art Personifizierung von Abstrakta handelt wie auf den jüngeren, zu Recht allegorisch genannten Ikonen (etwa „Reine Seele“). Hinsichtlich der Schriftgebundenheit von Ikonen ist es, wie Bentchev 168 bemerkt, auch möglich, ihre Darstellungsart überhaupt als allegorisch zu bezeichnen, womit dann terminologisch „Symbol“ für die Zeichenfunktion, „Allegorie“ für die Zeichenform verwendet wird. Sind „Symbol“ und „Allegorie“ Begriffe für Funktion und Form der Darstellung, so ist „Metapher“ im Bereich der kopierenden Ikonenkunst im Sinne eines individuellen Zeichens höchstens bei jüngeren allegorischen Ikonen zu erwägen; dort (168) spricht Bentchev wieder von „Metaphern“ und kritisiert, dass bei solchen Darstellungen „allen möglichen Interpretationen Tür und Tor geöffnet“ werde. Ich würde den Begriff „Metapher“ trotzdem meiden, denn auch die komplizierten allegorischen Ikonen sind eher „Verschlüsselung“ (170), ungewohnte Neuanordnung und Neudeutung tradierter Symbole und Embleme, denn spontane und subjektive Bildentwürfe.

     Die folgenden Kapitel, der Darstellung der Engelssujets anhand der verschiedenen literarischen Quellen gewidmet, sind ähnlich der Darstellung der Ikonensujets bei Onasch/Schnieper aufgebaut, indem die zumeist biblische Textgrundlage zur Erläuterung des Dargestellten herangezogen wird. Bentchev kennt nicht nur textuelle und ikonographische Parallelen, sondern er kann auch oft mitteilen, wann welche Variationen des Themas zum ersten Mal in der Ikonenkunst beobachtet werden. Aufgefallen ist mir, dass 104 gesagt wird, es habe keine Darstellung des Erzengels Jeremiel in der Ikonenmalerei gegeben, 105 aber beim Sujet Synaxis „ganz seltene“, durch Beischriften gekennzeichnete Darstellungen Jeremiels erwähnt werden. Außerdem scheint die in kunstvoller Zierschrift ausgeführte Aufschrift auf einer Ikone (111) problematisch („Svešèennago voinstvy Isa Christa nepobjaždennyja sila životvorjašèij krest' gospoden'“?; Anm. 117), ohne dass ich anhand der Abbildung eine bessere Lesart vorschlagen könnte.

     Der Abschnitt über die Schutzengelikone betont, dass die Entwicklung des Typus im 16. Jh. auch auf humanistischem Epochenhintergrund verstehbar sein könnte (113), nicht nur auf dem eingeschränkteren kirchenpolitischen (Daiber 1997). Die auf Schutzengelikonen öfters anzutreffenden kosmologischen Darstellungen (Engel mit Planeten usw.) behandelt Bentchev noch in einem eigenen Kapitel „Naturmächte und Tugenden“, das als wichtige Ergänzung der üblichen personalen Engelsdarstellungen zu sehen ist. Hier allerdings schlagen wir eine andere Übersetzung einer Randaufschrift (129, Nr. 4; von Bentchev selbst mit Fragezeichen versehen) vor, nämlich: „Geist der Vernunft. Der Engel der durch die Stimme und den Glanz Befangenen gibt durch den Willen des Befehls [erg. Gottes] seit alters her den Schlafenden Vernunft.“ (Der ksl. Text ist verdorben und wird am besten durch Vergleich mit der eine Seite zuvor abgebildeten Ikone erkannt; die übersetzte Beischrift verwechselt -je und -jê, weshalb ursprüngl. Gen. Sg. nun wie Nom. Sg. aussieht). Die Randaufschriften dieser Ikone sind überhaupt nur mit Vorsicht zu benutzen; Bentchevs Übersetzung der Beischrift Nr. 5 derselben Ikone ist zwar korrekt, aber verglichen mit der Lesart der zuvor abgebildeten sujetgleichen Ikone bleibt unentschieden, was eigentlich geschrieben sein sollte. Bei dieser Ikone, wo Bentchev von seinem Prinzip abgeht, die Ikone durch schriftliche Texte zu erklären, sondern nun vielmehr die Texte auf der Ikone zur Erklärung der Engelsdarstellungen heranzieht, wäre methodisch gefordert, Textkritik zu betreiben bzw. — noch besser — die Textvorlage der Aufschriften auszumitteln, was allerdings oft einem glücklichen Griff überlassen bleiben muss.

     Speziell hinzuweisen ist auf das Kapitel über die allegorischen (früher „didaktisch“ genannten, 168) Ikonen, welches einige bislang fast nur in der Spezialliteratur anzutreffende Themen übersichtlich präsentiert. Die ikonographische Umgestaltung von Darstellungen Christi, Mariens und einzelner Heiliger ist eine konsequente Fortführung des Engelthemas, indem der einstige Träger des göttlichen Wortes schließlich in jedem, der es befolgt, wiedergefunden werden kann. Die allegorischen Ikonen als Blick auf die Vermenschlichung des Engels oder die Engelwerdung des Menschen ist der ikonographisch und geistesgeschichtlich zwingende Abschluss eines Ikonenbuches, das ohne Abstriche zu empfehlen ist und gewiss auch ohne Empfehlung seinen Weg machen wird.

     

     Nachbemerkung. Die vergleichende Betrachtung der beiden Ikonenbücher war nicht geplant, sondern ergab sich aus einer zeitlichen Verzögerung bei Abfassung der Besprechung des Bandes von Onasch/Schnieper. Dass die Kritik an einer zeitgeistigen Verschwülstigung der Ikone in Bentchevs Vorwort ebenfalls zu finden ist, konnte ich nicht vorhersehen; ich belasse meine Besprechung von Onasch/Schnieper in ihrer Ausführlichkeit, weil die Sache eine ausführliche Darstellung verdient. Wenn es die Aufgabe des zeichenbildenden Wesens ist, die Grenzen des Bezeichenbaren zu erkunden, und zwar gerade im Erleben einer Evidenz, die sich dem Zeichen entzieht, so impliziert dies eine kritische Beurteilung der Zeichengrenzen — und eben auch der ikonographischen —, an Stelle einer Mystifizierung des Zeichens, die dem Zeichen das Bezeichnete einverleiben will. Wir beseelen die Zeichen, so, wie wir selbst beseelt sind. An sich ist das Zeichen Nichts, und ihm die Aura des Bezeichneten zuzuschreiben ist seine Zurichtung zum Fetisch. Diese Gefahr ist im Umgang mit Ikonen allgegenwärtig.