2004 fand ich in der Privatsammlung von Herrn Günter Schalk, einem Antiquitätenhändler aus dem Rheinland, eine auffällig schön gemalte Miniatur. Sie stellt das Portrait eines hohen armenischen Geistlichen in Emailmalerei auf einem ovalen Kupferblech in der Größe von 9×7 cm dar und ist im Hintergrund unten rechts mit der Jahreszahl „1793“ datiert (Abb. 1). Auf der Rückseite befindet sich auf blau-weißem Konter-Email die zweizeilige armenischen Inschrift in Schwarz „Yovsep' Ark'episkopos / 1793“ (Abb. 2). Auf meine Anfrage wurde die Inschrift freundlicherweise von Prof. Dr. Hermann Goltz und PD Dr. theol. habil. Hacik R. Gazer von der Universität in Halle an der Saale gelesen und der Dargestellte als der armenische Erzbischof Howsep Yerkainabazuk Argutian
Im nicht-armenischen Ambiente ist Erzbischof Howsep mit der russischen Namensform Iosif, Fürst Argutinskij-Dolgorukij bekannt. Er stammte aus der bedeutenden Fürstenfamilie der Bagratiden. Seinen russischen Fürstentitel bekam er erst im Jahre 1800. Iosif wurde am 23. Mai 1743 in Sanahin, im Norden der heutigen Republik Armenien geboren, wo sich das berühmte Kloster Sanahin befindet. Er studierte in Edtschmiadzin unter dem Katholikos Simeon Yerevantzi. 1773 bekam er den Titel Archimandrit (Vardapet) und wurde 1776 als geistlicher Führer der dortigen Armenischen Diozöse nach Astrachan geschickt. Von nun an verband er sein Schicksal mit dem Wohl der Armenier in Russland und in seiner von den Türken besetzten Heimat. Seit 1780 bis zu seinem Tod, unter Katharina II. (1762–1796) und Paul I. (1796–1801), wirkte Iosif als geistliches Oberhaupt aller Armenier in Russland. Unter seiner Führung und der des Fürsten Potemkin Führung emigrierten die Armenier aus der Krim und gründeten 1780 die Stadt Novyj (Nor) Nachičevan, welche nach 1860 mit Rostov-na-Donu zu einer Stadt verschmolz. Zusammen mit Ivan Lazarevič
Dem Datum nach zeigt unsere Miniatur den Erzbischof Iosif im Alter von 50 Jahren. Offensichtlich ließ er sich zu seinem Jubiläum porträtieren. Bekannt sind mir nur noch drei weitere Portraits von ihm, von denen noch die Rede sein wird. Hier trägt er ein Untergewand aus schwarzer Seide mit dunkleren Blumenmustern. An der schweren goldenen Kette mit einem zehnstrahligen Brilliantenstern, der als Aufhänger dient, hängt ein ovales, von 16 blauen Perlen gesäumtes Enkolpion (Panagia), auf dem man die barocke Miniaturdarstellung der Verklärung Christi in Emailmalerei gut erkennen kann, obwohl sie nicht einmal 5 mm hoch ist. Die westliche Ikonographie der Szene mit dem über den drei Aposteln schwebenden Christus nimmt die Emailmalerei auf einer russischen Ikone aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts
Der Erzbischof trägt über dem Untergewand einen ärmellosen, violett gefütterten Mantel, den bischöflichen
Als armenischer Erzbischof trägt Iosif auf dem Haupt den Veghar (кукуль), die typische spitze Kapuze der armenischen Geistlichen, die aus schwarz-grau changierenden Moiré-Seide besteht und auf der Stirnseite mit einem Brilliantenkreuz geschmückt ist. Dieses kostbare Kreuz wahr wohl ein Geschenk der Zarin Katharina II. zum 50. Geburtstag des hohen Geistlichen. Das hier dargestellte Kreuz unterscheidet sich vom Brilliantenkreuz auf dem älteren, von Minas Georgievič Bagdykov publizierten Portrait
Der Schaft des Bischofstabs, den Erzbischof Iosif in seiner Linken hält, besteht aus Silber. Seine goldene Krümme wird wie üblich von zwei entgegen gesetzten Schlangen bzw. Drachen gebildet und endet oben mit einem Kreuz aus roten Perlen und Brillianten, das auf einer Kugel mit einem aus elf Brillanten bestehenden größeren Kreuz montiert ist. Unterhalb der Krümme hängt vom Nodus des Stabs ein blassgelbes Velum mit einer breiten bläulichen Borte herab, die mit Silberstickerei und roten Perlen geschmückt ist. Dieses fahnenartige Velum (Pannisellus,
Die Pracht der Gewandung des armenischen Hierarchen ist nicht verwunderlich. Iosif hatte in Russland sehr vermögende Gönner und Freunde, unter anderem die armenische Familie der Lazarevs. Außerdem waren die armenischen Geistlichen schon immer für ihre kostbaren Kleider und Insignien berühmt. Davon zeugt Arakel
Simeon
Der Etschmiandsiner Katholikos Simeon Erevanci (1763–1782), ein Zeitgenosse Iosefs, äußert sich zur angemessenen Erscheinung des armenischen Katholikos so: „Когда католикос выходит за ограду Св. Престола, он должен носить на шее шарф подобающего цвета, дорогой, достойный его и приятный на вид, спускающийся с плеч на грудь, [идти] с посохом в руке [в сопровождении] двух или трех пеших служителей впереди. Того же правила он должен придерживаться, если выезжает верхом к царям и вельможам или куда пожелает; но при этом впереди шествия должен ехать всадник, ведущий за собой оседланного коня, так называемого едака. За этим всадником, ведущим едака, должны следовать верхом два монаха, у одного из них должен быть серебряный крест на шесте, а у другого – серебряный посох, покрытый золототканым дорогим покровом. При выходе и приходе католикоса бьют в большие колокола, и братия торжественно его встречает. Такой порядок издревле установлен для эчмиадзинских католикосов, и так они поступают свободно, без
Leider wissen wir nicht, von wem die hier vorgestellte, schöne Miniatur gemalt wurde. Trotz armenischer Inschrift, kommt kein armenischer Maler in Frage, denn von einem Mitglied der Malerdynastie Hovnatanian, etwa Hovnatan Hovnatanian (1730–1801), wurde sie sicherlich nicht gemalt. Viel zu sehr unterscheidet sie sich von seinen bekannten Werken. Die Behandlung des Gesichts nimmt einen viel später tätigen Maler wie Hakop Hovnatanian (Tiflis 1806–1881) vorweg. Man vergleiche sein bekanntes Porträt des jungen Akimian. Erst im 19. Jahrhundert lernten armenische Maler bei russischen Künstlern und in den Kunstakademien in St. Petersburg, Paris und München, wo sie sich den westeuropäischen Malstil aneigneten.
Die komplizierte Technik der Emailmalerei (peinture en émail), die mit der Glas- und Porzellanmalerei vergleichbar ist, wurde bekanntlich um 1470–1530, zuerst in Limoges, dem traditionellen Zentrum der Emailkunst, entwickelt. Sie ist, was die ostkirchliche Kunst betrifft, nur vom Ikonenmaler Christofor Žefarovič (1690–1753) in seinem Malerbuch unter dem Terminus „smalto“
Bei unserer Miniatur fällt die Diskrepanz zwischen der etwas persisch-indisch anmutenden Behandlung der Gesichtszüge einerseits und dem freieren, „barock-synodalen Stil“ des Restes auf. Wahrscheinlich wurde sie von einem russischen Maler gemalt, doch ein westeuropäischer, in Russland tätiger Maler kommt auch in Frage. Wohl besaß dieser als Vorlage eine andere, im orientalischen Stil gemalte Porträtminiatur des Erzbischofs (man kennt viele persisch-indische Miniaturen aus jener Zeit) und kopierte sie. „Der ‚persisch-indisch-russisch-westliche’ Stil kann auch gerade als typisch für die armenischen Maler angesehen werden, die zwischen den reichen armenischen Kaufmannskolonien Madras/Kalkutta, Neu-Djulfa (der armenischen Stadt bei Isfahan), Venedig und Moskau / St. Petersburg
Das in Öl auf Leinwand gemalte Portrait im Museum von Rostov-na-Donu, das Minas Bagdykov publiziert hat (Abb. 3), zeigt Erzbischof Iosif ebenfalls als Brustbild in Dreiviertelprofil nach links. Seine Rechte, die auf einem aufgeschlagenen Buch liegt, ist zwar zu sehen, wenn auch angeschnitten. Vielleicht war das Ölgemälde ursprünglich rechteckig. Dieses Portrait hat im Vergleich zu dem Emailmedaillon offizielleren Charakter: Neben dem Buch, das den Erzbischof als Gelehrten ausweist, dominiert hier der zivile Verdienstorden, der von Katharina II. am 22. September 1782 zu Ehren des „heiligen apostelgleichen Vladimir“ in vier Klassen gestiftet
Auffallend ist, wie bereits erwähnt, das Datum „1793“, das sich auf unserer Miniatur auf der Vorder- und noch einmal auf der Rückseite befindet. Für das Jahr 1793 ist belegt, dass sich Katharina II. an den Erzbischof Iosif mit dem Wunsch wandte, Beispiele der traditionellen Stickereien armenischer Frauen in Nachitschevan zu