Zu Technik, Stil und Datierung einiger Ikonen und Wandmalereien auf Zypern
* Bentchev I. Zu Technik, Stil und Datierung einiger Ikonen und Wandmalereien auf Zypern // ARTIFEX DOCTUS. Studia ofiarowane profesorowi Jerzemu Gadomskiemu w siedemdziesiątą rocznicę urodzin (Polska Akademia Umiejętności. Uniwersytet Jagielloński), Kraków, 2007, tom II, S. 57–64
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Über stilistische Fragen lässt sich bekanntlich streiten. Stilistische Merkmale werden von verschiedenen Forschern mannigfaltig wahrgenommen, insbesondere, wenn andersgestaltige Gattungen wie Tafel-, Wand- und Miniaturmalerei verglichen werden sollen. Dabei wird die stilbildende Rolle der Maltechnik meist außer Acht gelassen. Vor allem Ikonen sind anhand rein stilistischer Kriterien nur sehr schwer zu datieren, und zwar aus zwei Gründen: Erstens liegt es im Wesen der ostkirchlichen Kunst, nicht nur die Bildvorlagen, sondern auch deren Malstil immer wieder zu kopieren; zweitens lassen sich bei ein- und demselben Maler öfters Werke verschiedener Stilrichtungen nachweisen. Es ist auch belegt, dass die postbyzantinischen Maler gerne die verschiedenen Vorlieben ihrer Auftraggeber berücksichtigten und sozusagen stilistisch opportunistisch waren. Außerdem haben die ostkirchlichen Maler ihren persönlichen Stil im Laufe ihrer Malerlaufbahn ebenso ändern können wie ihre Kollegen im Westen. Bei Zuschreibungen und Datierungen von Ikonen müssen daher, wie es heute noch vor allem in Russland üblich ist, unbedingt Restauratoren hinzugezogen werden, die kompetent Auskünfte nicht nur über die manchmal sehr komplizierte Beschaffenheit des Objekts, sondern auch über die historische Maltechnik geben können1.
1 So konnte ich selbst die Inkarnate auf der «frühesten» georgischen Ikone «Muttergottes von Cilkani», angeblich in Enkaustik-Technik im 8.–10. Jh. gemalt, als sehr späte Übermalung des 13. Jahrhunderts entlarven. Siehe I. Bentchev, Zu den georgischen Gottesmutterikonen von Chachuli, Zarzma und Cilkani, [in:] Studien zur byzantinischen Kunstgeschichte. Festschrift für Horst Hallensleben zum 65. Geburtstag. Hrsg. von B. Borkopp, B. Schellewald, L. Theis, Amsterdam 1995, S. 244–247, Abb. Die viel gelobte «Trauernde Muttergottes», angeblich «byzantinisch, letztes Viertel 13. Jh.» in der Tret'jakov-Galerie, Moskau erwies sich als eine Fälschung des 19. Jahrhunderts. I. Bentchev, Zum Verhältnis von Original, Kopie und Replik am Beispiel der Gottesmutter von Vladimir und anderer russischer Ikonen, [in:] Russische Ikonen. Neue Forschungen, E. Haustein-Bartsch (Hrsg.), Recklinghausen 1991, S. 147–149, Abb.
Nach allem, was wir über die historischen Ikonenmalereitechniken wissen, müssen die zwei angeblich ältesten Ikonen im Byzantinischen Museum in Nicosia falsch datiert sein2. Die Ikone «Muttergottes Orantin mit Christus-Emmanuel im Clipeus»3, datiert
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ins 8.–9. Jahrhundert, darf stilistisch frühestens ins 13. Jahrhundert, nach ihrer technischen Ausführung sogar nur frühestens ins 15. Jahrhundert datiert werden. Die originale Malerei findet sich nämlich auch an den Kanten der ca. 2 cm dicken Tafel, womit gesichert ist, dass diese Ikone nie einen erhabenen Rahmen (Kovčeg) besaß, was aber für ältere Ikonen undenkbar ist. Ohne Kovčeg-Rahmen gestaltete man im Mittelalter nur die Rückseite von Prozessionsikonen, die großformatiger sind.
2 Ich benutze hier meine beim Besuch des Museums im Juni 2001 gemachten Notizen.
3Sophocles Sophocleus, Icones of Cyprus. 7th–20th century, Nicosia 1994, Kat. Nr. 2, S. 123, Abb., datiert «late 8th/early 9th century».
Die kleinformatige Ikone «Hl. Kosmas und Damianos», die im Byzantinischen Museum in Nicosia ins 10. Jahrhundert datiert wird, stammt höchstwahrscheinlich ebenfalls erst aus dem 15. Jahrhundert, denn auch sie besitzt keinen erhabenen Rahmen. Zudem liegt das Blattgold auf einem roten Bolus4 , was stutzig machen müsste. Schon ein kurzer Überblick der Bolusgrundierungen in der Ausstellung eben dieses Museums liefert historische Hinweise: Gar keinen Bolus weisen die frühen Ikonen auf, so noch die berühmte Prozessionsikone mit der Muttergottes und Christus5 aus der Kirche des Arakiotissa-Klosters in Lagudera, datiert um 11926 . Roter Bolus kommt in der selben Exposition auf einer Ikone um 1400 (Nr. 31) und auf späteren Ikonen vor: Muttergottesikone von 1557 (Nr. 108) und «Hl. Johannes der Evangelist», letztes Viertel des 15. Jahrhunderts (Nr. 44).
4 So genannter «Bolus aus Armenien». Das Blattgold der frühesten Ikonen bedurfte keiner Bolusgrundierung. Es wurde direkt auf den wahrscheinlich mit Eiweiß oder Knoblauchsaft vorbehandelten Gipsgrund aufgeklebt. Zuerst wird gelber Bolus von Heraclius (Кар. 41, S. 80: Ocker mit Eiweiß) erwähnt. Theophilus im Westen (Кар. 24: Vergoldung auf Eiweiß) kannte den Bolus noch nicht. Nach Vasari soll den Bolus Margaritone di Arezzo (aktiv ca. 1250–1290) eingeführt haben. Erst im späten Mittelalter kam der gelbe Bolus für Ikonen in Gebrauch, obwohl einige Ikonen aus dem 11.–12. Jahrhundert im Sinai-Kloster mit kreisrund polierten und somit rotierend erscheinenden Nimben eigentlich einen Bolus voraussetzen. Der rote Bolus, schon im alten Ägypten bekannt, kommt unter westlichem Einfluss auf Ikonen der italo-kretischen Schule erst richtig um 1500 in Mode, obwohl er unter den Malern in Siena, Florenz und Venedig zuerst um 1270 (Duccio) sehr beliebt war.
5 Das blaue Himation Christi ist übermalt. Ein sehr helles und lichtes Himation aus echtem Lapislazuli ist in der originalen historischen Schicht darunter zu beobachten. Die Übermalung schneidet zudem einen Teil der originalen Malerei auf der Hand Christi.
6 Nr. 70/67; Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 15, S. 140, Abb.
Die Ikone des Hl. Onuphrios, die auf der Morphou-Ausstellung in Nicosia 20017 gezeigt wurde, weist ebenfalls den roten «armenischen» Bolus auf und besitzt keinen erhabenen Rahmen (Abb. 1, 8a). Zudem lässt sich die griechische Beischrift am unteren Rand paläographisch nicht vor dem 14. Jahrhundert datieren8.
7Holy Bishopric of Morphou. 2000 Years of Art and Holyness (Ausstellungskatalog), Nicosia 2001, Kat. Nr. 8, S. 258f., Abb.
8 Freundliche Mitteilung von Boris Fonkič, Moskau.
Zwar kann man dieser Ikone nicht einen merkwürdig archaischen Stil nicht absprechen, doch allein aus diesem Grund darf sie nicht ins 13. Jahrhundert datiert werden, denn sie gehört nach den oben genannten technologischen Kriterien ins 15.– 16. Jahrhundert datiert.
Ein typisches Merkmal der zypriotischen Tafel- und Wandmalerei sind zweifelsohne die reliefartigen Applikationen, die mit Blattgold- und Silber belegt und manchmal auch farbig bemalt waren. Hierzu schreibt S. Sophocleus:
«The relief ornamentation, achieved in gesso (see icons Nos. 1b, 6, 11, 12a, 18–19, 21–28, 30a) is a very characteristic element of Cypriot icons dating from the 12th unto the 19th century;
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it is less frequent or even rare outside the island and cold therefore point to Cyprus as a origin of this technique»9.
9 Sophocleus, op. cit., S. 27. Literaturangaben in Anm. 24 ebenda. Als frühestes byzantinisches Beispiel wird die Christus-Ikone aus Ohrid von 1262/3 genannt, die einen reliefartigen Nimbus besitzt.
Mit dieser Technik in Verbindung mit Ikonen aus Zypern und der Kölner Malerei hat sich zuerst M. Frinta beschäftigt10. In der byzantinischen und postbyzantinischen Kunst wurden durch solche Verzierungen Metallbeschläge imitiert11. Deswegen wurden sie stets vergoldet bzw. mit Blattsilber belegt. Im § 6 des Anonymus I (nach 1566) in der Ersten Jerusalemer Handschrift (17. Jh.) «Wie man die Heiligenscheine auf Ikonen plastisch macht» wird die Technik beschrieben12. In der griechischen Hermeneia des Christofor Žefarovič (vor 1740) findet sich auch ein Rezept für plastisches Dekor auf Ikonen aus Holz (§ 37):
«Und wenn du auf der Ikone plastische Blumen machen willst, nimm mit dem Pinsel aus dem oben erwähnten Gips und mache Blumen, welche du auch immer willst. Du musst diesen Gips etwas dicker machen, dann werden die Blumen besser»13.
10 Speziell zur plastischen Dekoration zypriotischer Ikonen: M. Frinta, Raised Gilded Adornment of Cypriot Icons and the Occurence of the Technique in the West, Gesta 20, 1981, S. 333–347; M. Frinta, On the Relief Adornment in the Klarenaltar and other Paintings in Cologne, [in:] Vor S. Lochner, Die Kölner Maler von 1300 bis 1430. Ergebnisse der Ausstellung und des Colloquiums, Köln 1977, S. 131–139.
11 W. Kurpik, Podłoże obrazu jako źródło do dziejów wizerunku, [in:] Jasnogórski ołtarz Królowej Polski. Studium teolgiczno-historyczne oraz dokumentacja obiektów zabytkowych i prac konserwatorskich. Praca zbiorowa pod redakcją O. J. Golonki ZP, Częstochowa 1991, S. 116–119 und Sophocleus, op. cit., S. 27, Anm. 24.
12 Papadopoulos-Kèrameus, Denys de Fourna, Manuel d'iconographie chrétienne. Accompagné de ses sources principales inédites et publié avec préface, pour la première fois en entier d'après son texte original par A. Papadopoulos-Kèrameus, St. Petersburg 1909 / Διονυσίου του εκ Φουρνά. Ερμηνεία της Ζωγραϕικής Τένης και αι κύριαι αυτής ανέκδοται πηγαί, εκδιδομένη μετά προλόγου νυν το πρώτον πλήρης κατά το πρωτότυπον αυτής κειμένον υπό Α. Παπαδοπούλου-Κεραμέως, εν Πετρούπολει (В. Kirschbaum) 1909 (Reprint: Epanos, Athen), S. 241. Vgl. § 7 in: Dionizjusz z Furny, Hermeneia, Kraków 2003, S. 21 und I. Bentchev, Griechische und bulgarische Malerbücher. Technologie; Museen der Stadt Recklinghausen (Beiträge zur Kunst des christlichen Ostens; Band 11, herausgegeben von E. Haustein-Bartsch), Recklinghausen 2004, S. 45 (§ 6 des Anonymus I) und S. 82 (§ 7 des Dionysios).
Die einfache Pinsel-Technik ist antik und war im ganzen Mittelalter in Ost und West bekannt, doch zweifellos haben zypriotische Maler sie sowohl in der Tafel- wie in der Wandmalerei außerordentlich perfektioniert14. Die Anweisung des Anonymus II (§ 65) bzw. in der Hermeneia des Dionysios von Phourna (§ 67) für plastische Nimben an der Wand ist von den meisten Übersetzern sehr unverständlich wiedergegeben worden. Gemeint sind reliefartige Strahlen-Nimben, die untypisch für die byzantinische Wandmalerei sind und gelegentlich im 13.–14. Jahrhundert in Äthiopien und Italien seit Giotto (Arena-Kapelle in Padua, ca. 1305) vorkommen. Die älteste schriftliche Quelle dieser Wandmalerei-Technik, auf welche § 65 der Anonymus II in der Ersten Jerusalemer Handschrift, dem später § 67 des Dionysios folgt, zurückgeht, ist offensichtlich Cennino Cenninis Traktat, Кар. 102 (Ende 14. Jh.)15, wie schon
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E. Berger 1909 erkannte16. Plastische Nimben waren noch im 17. Jahrhundert bei Malern aus Kreta (Emmanuel Tzanes)17 (Abb. 5) und im 18. Jahrhundert zu Zeiten des Dionysios unter den Freskomalern aus Epirus (z.B. Damaskinos aus Iannina) beliebt. Die westeuropäischen gotischen Wandmalerei-Beispiele solcher reliefartigen Applikationen aus dem 13. Jahrhundert (Saint Chapelle, Paris, 1240er Jahre) und insbesondere aus dem 14. Jahrhundert (Westminster Abbey, Kölner Dom, Veitsdom in Prag, St. Kastor in Koblenz u.a.) sind in diesem Zusammenhang genannt und z.T. untersucht worden18. Bezeichnenderweise tauchen solche Verzierungen stets in Zusammenhang mit Tempera-Malerei an der Wand auf.
14 In Ost und West hat man auch mit vorgefertigten Modellen gearbeitet. Sie sind verwandt mit der antiken Technik, Blech- und Keramik-Erzeugnisse zu verzieren. Solche Muster lassen sich direkt in den noch weichen Gipsgrund abdrücken bzw. als vorgefertigte Werkstücke applizieren.
15 C. Cennini, Das Buch von der Kunst oder Tractat der Malerei, übersetzt und erläutert von Albert Ilg (Quellenschriften für Kunstgeschichte und Technik des Mittelalters und der Renaissance, hrsg. von R. Eitelberger v. Edelberg I), Wien 1888; Polnisch: Rzecz о malarstwie, Florencja 1933, zweite Auflage — Wrocław 1955.
16 E. Berger, Fresko- und Sgraffito-Technik nach älteren und neueren Quellen (Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik V), München 1909, S. 56–60 (Reprint: Vaduz 1991).
17 Christus-Ikone, datiert 1675 und signiert, Hist. Museum, Heraklion. Siehe N. B. Δρανδνκης, Ο Εμμανουηλ Τυανε Μπουνιαλης, Athen 1962, Abb. 39a.
18 I. Bentchev, Zur Maltechnik der Chorschrankenmalerei (im Kölner Dom), Jahrbuch der Rheinischen Denkmalpflege, Köln 29, 1983, S. 298–316.
Auf der Georg-Ikone aus Filousa Kelokedaron, die nach stilistischen Kriterien nicht ins späte 13.19, sondern ins letzte Viertel des 15. Jahrhunderts datiert werden muss20, nimmt die plastische Dekoration den ganzen Hintergrund und den Nimbus ein (Abb. 2). Die Darstellung des zu Ross, mitten in einem Tümpel mit verschiedenen Fischen sitzenden Kriegers ist ikonographisch und stilistisch mit der Wandmalerei von 1494 in der Hl. Kreuz-Kirche in Agiasmati bei Platanistasa21 (Abb. 3) und dem Bild an der Südwand in der kleinen Georgskirche in Pedoulas (1474) verwandt22. In dieselbe Zeit (1474) werden eine Michael-Ikone desselben Stils im Katalog der Morphou-Ausstellung in Nicosia23 und die Christus-Ikone aus Louvaras (um 1495) datiert, welch letztere Philippos Goul zugeschrieben wird24. Der Einfluss der italo-kretischen Schule ist hier offensichtlich und lässt sich an eng verwandten Details (z.B. Zaumzeug) auf kretischen Ikonen jener Zeit zeigen: auf der vatikanischen25 Ikone «Theodoros Tiron und Theodoros Stratilates» und auf der vor kurzem vom Ikonen-Museum erworbenen und kürzlich von mir restaurierten kretischen Ikone des «Hl. Menas»26. Etliche zypriotische Ikonen mit plastischem Schmuck bzw. plastischen Applikationen, die ins 13. Jahrhundert datiert werden, sollten ähnlich ins späte 15. Jahrhundert umdatiert werden: Muttergottes mit Kind aus Kato Pafos27, «Elias Himmelfahrt»28,
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«Hl. Timotheos und Marva» aus Kolani29, «Hodegetria-Dexiokratoussa» aus Agios Theodores30, «Muttergottes Glykophilousa» aus Fasoula31, «Hl. Mamas» aus Pelendri32, «Muttergottes Kykkotissa»33, «Muttergottes Glykophilousa»34, «Muttergottes Paramythia»35 und «Hl. Mönch» aus der Kirche Panagia Chryseleousa36, allesamt bis jetzt von verschiedenen Autoren viel zu früh ins 13. oder 14. Jahrhundert datiert. Es stellt sich dabei die Frage, wann die Anfänge des plastischen Schmucks auf zypriotischen Ikonen und Wandmalereien anzusetzen sind. Zunächst muss berücksichtigt werden, dass diese auch auf älteren Ikonen zu beobachten sind, allerdings als spätere Zutat, wie im Falle der doppelseitigen Ikone mit der thronenden Muttergottes mit Kind und dem hl. Nikolaus mit Vita auf der Rückseite im Byzantinischen Museum in Nicosia37 oder wie im Falle der Paraskeva-Ikone aus Agridia38. Die originale Malerei der ersten Ikone stammt wohl aus dem 13. Jahrhundert, während die plastischen Verzierungen wie die Übermalung der Gesichter der Muttergottes und des Christuskindes auf das letzte Viertel des 15. Jahrhunderts hinweisen. Ähnlich spät zu datieren ist die Ikone der Muttergottes Dexiokratoussa aus Laneia39. Die Paraskeva-Ikone, wohl Ende 16. — Anfang 17. Jahrhundert gemalt, hat im 18. Jahrhundert einen (neuen?) plastischen vergoldeten Nimbus bekommen (Abb. 6). Auf den Nimben einiger Heiligen auf den unter italo-kretischem Einfluss stehenden Fresken in der Erzengel Michael- oder Panagia Theotokos-Kirche in Galata, die laut Inschrift von 1513–1514 datieren40, sind mit dem Pinsel aufgetragene plastische Muster zu sehen, wie auf manchen Nimben auf den Fresken von 1421 in der Königskapelle in Pyrga und aus dem späten 15. Jahrhundert in der Barnabas und Hillarion-Kirche in Peristerona41. Lassen sich überhaupt plastische Verzierungen in der zypriotischen Malerei vor dem Ende des 13. Jahrhunderts mit letzter Sicherheit nachweisen? Auf jeden Fall können wir plastische Applikationen auf Fresken42 und Ikonen aus dem späten 14. Jahrhundert auf Zypern («Hl. Basilios»43 und «Kosmas und Damianos»44) und Kreta (Panagia Kera-Kirche in Kritsa)45 nennen. Aus
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dem 15. Jahrhundert stammen wiederum zypriotische Ikonen wie «Hl. Georg»46 (Abb. 4), «Christus Pantokrator»47, «Hl. Mamas48 und «Thronender Christus»49.
19 Sophocleus, op. cit., Kat. 1b, S. 122, Abb.
20 Wahrscheinlich handelt es sich dabei um die früheste Ikone dieses besonderen Georg-Typus.
21 A. Stilianou and J. A. Stilianou, The Painted Churches of Cyprus. Tresures of Byzantine Art, Nicosia 1997, Abb. 119, S. 209.
22 A. Stilianou and I. Stilianou, op. cit., S. 331–343. Dieselbe Ikonographie zeigt die Ikone von 1660 aus derselben Kirche im Museum von Pedoulas: The Pedoulas Byzantine Museum, Pedoulas 2000, Abb. S. 13 und Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 47, S. 338f., Abb.
23Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 21, S. 286., Abb.; The Pedoulas Byzantine Museum..., Abb. S. 10; Vgl. denselben Stil der gleichzeitigen Fresken in der Erzengel-Michael-Kirche in Pedoulas von 1474.
24 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 41, S. 172, Abb.
25 M. Bianco Florin, Icone della Pinacoteca Vaticana, Catalogo della Pinacoteca Vaticana, vol. IV, Vatikan 1995, Nr. 10, S. 19f., Abb. 14–15. Dort falsch ins 16. Jh. datiert.
26Ikonenkatalog Dr. Brenske, München, Frühjahr 2003, S. 56, Farbabb.; E. Haustein-Bartsch, Neuerwerbungen und Schenkungen, EIKON-Mitteilungsblatt 1/2003, S. 9f. E. Haustein-Bartsch hat mich auf die Ikone im Vatikan und die vergleichbare Ikone im Katalog Sotheby's 5. April 1990, Kat. Nr. 281, Abb. hingewiesen.
27 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 12a, S. 81, Abb.
28 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 12a, S. 81, Abb.
29 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 21, S. 86f. 172, Abb.
30 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 22, S. 87, Abb.
31 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 23, S. 87f., Abb.
32 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 27, S. 89f., Abb.
33 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 28, S. 90, Abb.
34 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 29, S. 91, Abb.
35 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 30a, S. 91, Abb.
36 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 79, S. 115, Abb.
37 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 25, 26, S. 115, Abb.
38 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 42, S. 98, Abb. Die originale Malerei dort «late 15th/ early 16th century» datiert.
39 Sophocleus, op. cit., Kat. Nr. 11, S. 81, Abb.
40 A. Stilianou and J. Stilianou, op. cit., S. 90ff.
41 Die dortigen Wandmalereien stammen aus verschiedenen Zeiten (11.–16. Jh.). Dort sieht man im übrigen an den Resten der Außenfassung große, in Rot aufgemalte Quader (11.–12. Jh.), die an die Außenfassung der Kirche in Kurbinovo, Prespa (1191) denken lassen.
42 Nimbus des Propheten Jesaja, 3. Viertel des 14. Jahrhunderts, Kirche der Panagia Phorbiotissa in Asinou. Siehe A. Stilianou and J. Stilianou, op. cit., S. 128, Abb. 63
43Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 2, S. 244f., Abb. Dort 13. Jh. datiert.
44Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 9, S. 260f., Abb. Dort 13. Jh. datiert mit Übermalungen aus dem späten 14. Jh. Die frühe Datierung der Übermalung ist auch fraglich.
45 Zum Beispiel in den Nimben auf der Darstellungen «Hl. Anna mit Maria» und «Hl. Georg». Siehe M. Borboudakis, Panaghia Kera. Byzantinische Fresken in Kritsa. Kurzer bebilderter archäologischer Führer, Athen 1957, Abb. 23, 26.
46Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 13, S. 270f., Abb. Dort 14. Jh. datiert.
47Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 14, S. 272f., Abb. Dort 14. Jh. datiert.
48Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 15, S. 274f., Abb. Dort 14. Jh. datiert.
49Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 18, S. 280f., Abb. Dort 14. Jh. datiert.
Der zypriotischen Ikonenmalerei sind zweifellos stilistische Besonderheiten eigen, die über Jahrhunderte tradiert wurden, so z.B. übergroße Augen und ein bestimmter Gesichtstypus, besonders bei Darstellungen der Muttergottes mit dem Kind. Bei allen Eigenheiten bleiben jedoch feste ikonographische wie stilistische Bezüge zu den Hauptrichtungen der byzantinischen und postbyzantinischen Malerei bestehen. Es gibt daher keinen Grand, etwa die Muttergottes Glykophilousa mit dem Meister der Fresken in Asinou in Verbindung zu bringen und entsprechend viel zu früh, ins Jahr 1105–1106, zu datieren50. Allen stilistischen Kriterien nach ist diese Ikone ein sehr schönes und typisches Werk des ausgehenden 12. — Anfang 13. Jahrhunderts. Und auch die Ikone «Panagia Brephokratousa»51, gemalt mit schnellen expressiven Pinselstrichen von einem provinziellen zypriotischen Meister, dürfte nicht im 13. Jahrhundert, sondern frühestens um 1500 entstanden sein (Abb. 7). Gegen diese frühe Datierung sprechen schon die Buchstaben OΩN in dem Kreuznimbus Christi, die erst um 1400 vorkommen. Auch das Wellenband, mit welchem die Darstellung gerahmt ist (Abb. 7, 8b), erinnert, obwohl in vereinfachter Form, an das spätgotische Motiv der «rollenden» Akanthusranke, die beim Betrachter den Eindruck einer Wellenbewegung entstehen lässt. Das Band weist zeitlich auf die nunmehr perfekt gemalte, rahmende Akanthusranke über der Szene der Apostelkommunion in der Kirche Panagia Podithou in Galata, datiert 1502, hin52 (Abb. 8c). Die in italo-kretischem Stil ausgeführte Malerei ist typisch für den Einfluss der Venezianer, die 1489 Zypern besetzten. Dieselbe Akanthusranke von der Hand eines florentinischen Miniaturisten rahmt das von vier Engeln gehaltene Medaillon mit dem Wappen des ungarischen Königs Matthias Corvinus in Cod. Lat. 16839 (mit Datum 1488), fol. 2r, Bibl. Nat. Paris53 (Abb. 8d). Auch das Göttinger Musterbuch54, ein Malerbuch der Zeit um 1450 für die Herstellung von Buchschmuck (Laubwerk, Initialen und gemusterten Gründen), der sich zudem in mehreren Gutenbergbibeln findet, enthält eine genaue Anleitung zur Darstellung dieser Ranke. Eine ähnliche Ranke mit Akanthusblättern, die in der christlichen Kunst als Symbol der Unsterblichkeit gelten, ziert schon den Rahmen des berühmten polnischen Gnadenbildes der Muttergottes von Częstochowa, und zwar als Zutat der Restaurierung von 1430–1434 (Abb. 8e, 9a). Mit diesem floralen Motiv und seiner Entwicklung im 15. Jahrhundert — aus dem «weichen» zum «spitzen» Blattwerk hin — haben sich zuletzt in einer gemeinsamen Publikation Anna Różycka-Bryzek und Jerzy Gadomski auseinandergesetzt (Abb. 9). Zurecht haben beide Autoren aller scheinbaren
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Gewissheit zum Trotz bei der Datierung des Rahmens der Madonna von Częstochowa weitere technologische Untersuchungen gefordert55.
50Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 1, S. 242, Abb.
51Holy Bishopric of Morphou..., Kat. Nr. 6, S. 254f., Abb.
52 A. Stilianou and J. Stilianou, op. cit., S. 100f., Abb. Die Kirche samt Ausmalung ist eine Stiftung der hellenisierten lateinischen Familie De Coron.
53 Siehe C. Csapodi, C. Csapodi-Gárdonyi, Biblioteca Corviniana. Die Bibliothek des Königs Matthias Corvinus von Ungarn, Budapest 1978, Nr. 113, S. 64, Abb. LV1, S. 193.
55 A. Różycka-Bryzek, J. Gadomski, Obraz Matki Boskiej Częstochowskiej w świetle badań historii sztuki, «Studia Claromontana» 5, Jasna Góra 1984, S. 47, Anm. 55, Zn. 3 auf S. 48. Zum Muster von 1430–1434 selbst weisen die Autoren auf vergleichbare Beispiele aus westlichen illuminierten Handschriften und Tafelbildern hin, datiert zwischen ca. 1400 und 1428: «Malowany na ramie ornament, utworzony z wici liściastej oplatającej prostą laskę z sęczkami (il. 28), swym kształtem stylowym odpowiada drugiej ćwierci w. XV: miękko modelowane liście, płynną linią przewijające się wokół laski, pozbawione są jeszcze typowej dla późniejszych lat tego stulecia ostrej stylizacji czy znamion usychania, a motyw gałązki bądź laski z sękami występował w różnej postaci już około r. 1400 i w pierwszej połowie XV wieku (ryc. 3) (55). Istotne znaczenie dla datowania ramy i listwy moze mieć nieprzeprowadzone dotąd dendrochro-nologiczne badanie porównawcze tych elementów, jak również badanie barwników i zapraw (...)». Zur Restaurierung des Gnadenbildes von Częstochowa im Jahre 1925 schreibt ausführlich W. Kurpik, op. cit., S. 79. Der sekundäre Holzrahmen mit seiner ursprünglichen Bemalung stammt auch nach W. Kurpik (S. 84, 114) aus der Zeit der Renovierung des Gnadenbildes, d.h. nach dem Überfall auf das Jasna Góra-Kloster im Jahre 1430. J. Golonka gibt die Meinung von R. Kozłowski so wieder: «(...) rama ozdobiona malowanym motywem symetrycznej wici akantowej о cechach typowych dla malarstwa lat trzydziestych XV w.». Siehe J. Golonka, Dzieje konserwacji obrazu od XIV do XX wieku, [in:] Jasnogórski ołtarz Królowej Polski..., in Anm. 10 weiter oben, S. 125.
Analog ist wünschenswert, dass auch der hier skizzierte Problemkreis zu den zypriotischen Ikonen in naher Zukunft mit allen zur Verfügung stehenden naturwissenschaftlichen Methoden untersucht wird. Zunächst einmal stehen dendrochronologische Untersuchungen an.
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