* Eva Haustein-Bartsch. Die Ikonensammler Dr. Heinrich Wendt und Prof. Dr. Martin Winkler und die Gründung des Ikonen-Museums Recklinghausen. Bönen 2007.
© Ikonen-Museum Recklinghausen und die Autorin 2007
ISBN 978-3-939753-03-2
Dieser Beitrag erschien in leicht geänderter Form in: Vestische Zeitschrift, Zeitschrift der Vereine für Orts- und Heimatkunde im Vest Recklinghausen, Bd. 101–2006/07, S. 235–261.
Im Jahre 2006 — genau gesagt am 21. Juli — feierte das Ikonen-Museum Recklinghausen sein 50-jähriges Bestehen. Grund genug, einmal die Anfänge dieser einzigartigen Institution zu beleuchten, die bis heute die bedeutendste Sammlung ostkirchlicher Kunst außerhalb der orthodoxen Länder beherbergt. Wie kam es, dass ein solches Museum ausgerechnet in einer damals vom Bergbau geprägten Stadt mitten im Ruhrgebiet gegründet wurde? — in einer Stadt, in der weder eine orthodoxe Gemeinde ansässig war noch eine größere Anzahl Emigranten nach der russischen Revolution eine neue Heimat gefunden hatte, geschweige denn, dass es — wie in anderen deutschen Städten — dynastische Verbindungen mit dem Zarenhaus gegeben hätte.
Den Anstoß zu dieser Museumsgründung gab eine Ausstellung unter dem Titel «Ikonen aus bedeutenden deutschen Privatsammlungen und Klöstern», die in der Kunsthalle Recklinghausen am 6. Januar 1955 eröffnet wurde und dort bis zum 20. Februar zu sehen war — mit einem unglaublichen Erfolg. Es wurden 7.405 Besucher gezählt,1 und damit übertraf diese Ausstellung alle früheren bei weitem. Die bedeutendsten Ikonen in der Ausstellung kamen aus zwei deutschen Privatsammlungen, aus der von Dr. Heinrich Wendt, einem Hautarzt aus Hannover, und von Prof. Dr. Martin Winkler, einem in Feldafing am Starnberger See ansässigen Osteuropahistoriker.
Nur dreimal war nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland eine Ikonenausstellung gezeigt worden. Die erste wurde von Dr. Wendt 1952 in Hannover organisiert und ging danach nach Göttingen. Die dritte, auf jener aufbauende Ausstellung fand im November 1954 in München statt. Der erste Leiter der Recklinghäuser Kunsthalle, Franz Große Perdekamp († 1953), hatte bereits 1952 den Wunsch und die Absicht gehabt, die Hannoveraner Ausstellung nach Recklinghausen zu holen,2 doch stieß er damit bei Dr. Wendt auf wenig Interesse, dem Recklinghausen zu provinziell war.3 Als der Nachfolger von Große Perdekamp, Thomas Grochowiak,4 von Oktober bis Dezember 1954 in mehreren Schreiben5 Dr. Wendt um Leihgaben für eine Ikonenausstellung bat, die für Anfang Januar 1955 in der Kunsthalle Recklinghausen geplant war, erhielt er — wahrscheinlich wegen der Erkrankung Dr. Wendts — erst kurz vor Weihnachten eine Antwort mit der Zusage, seine besten Ikonen für die Ausstellung als Leihgaben zur Verfügung zu stellen.
1 Laut Jahresbericht des Oberstadtdirektors in der Sitzung des Rates am 22. Juni 1955.
2 Recklinghäuser Zeitung vom 7. Januar 1955 «Ikonen-Ausstellung festlich eröffnet» und Westfälische Rundschau vom 8. Januar 1955 «Ikonen — Projektion der inneren Vorstellung». Siehe auch den maschinenschriftlichen Bericht «Zur Geschichte des Ikonenmuseums in Recklinghausen» von Dr. Wilhelm Michaelis aus dem Jahr 1981 im Stadtarchiv Recklinghausen (F 1434). «Zur Einweihung des Ikonen-Museums Recklinghausen», in: Vestische Wochenschau 18/1956, S. 8–9.
3 Nach mündlicher Auskunft von Dr. Anneliese Schröder am 19. Februar 2003. Sie war mit Große Perdekamp 1952 in der Hannoveraner Ausstellung.
4 Prof. Thomas Grochowiak (* 2. Dezember 1914) war von 1954 bis 1979 Direktor der Recklinghäuser Museen.
5 Schreiben vom 13. und 27. Oktober sowie vom 1. und 16. Dezember im Archiv des Ikonen-Museums Recklinghausen.
Weitere Leihgeber für die Recklinghäuser Schau, auf der außer Ikonen auch liturgische Gerätschaften und Gewänder gezeigt wurden,6 waren Herbert J. Rothemund in München, Klöster wie das Benediktinerinnenkloster zum Heiligen Kreuz in Herstelle und andere Privatsammler.
6 Siehe: «Berühmte Ikonen in der Kunsthalle zu Recklinghausen», in: Vestische Wochenschau 1/1955, S. 3–5.
Dr. Wendt und Prof. Winkler waren auch wissenschaftlich an der Ausstellung beteiligt. Prof. Winkler hielt den Eröffnungsvortrag mit Lichtbildern unter dem Titel «Über Wesen und Wandlung der russischen Ikonen».7 Dr. Wendt, der durch seine schwere Krankheit am Erscheinen gehindert war,8 hatte das Vorwort zum Katalog verfasst.9
7 Referiert in Neueste Zeitung und Westfalische Rundschau vom 8. Januar 1955.
8 Neueste Zeitung vom 8. Januar 1955.
9 Die Lieferung des Textes hatte sich wegen der Krankheit Dr. Wendts verzögert, und Grochowiak verwendete dann das Vorwort des Hannoveraner Kataloges von 1952, weil es ihm instruktiver erschien (laut Schreiben vom 13. Januar 1955).
Wie dann die Idee entstand, die Ikonenausstellung permanent in Recklinghausen zu zeigen, schildert der damalige Oberstadtdirektor Dr. Michaelis in seinen Erinnerungen: «Die Ausstellung fand nicht nur in Recklinghausen, sondern weit darüber hinaus ein solches Echo, dass ich ebenso wie viele andre ihrer Auflösung mit Bedauern entgegensah. Als mir Thomas Grochowiak eines Tages vor Ablauf der Ausstellung vortrug, er habe herausgefunden, dass die drei Eigentümer10 ihre Ikonen aus verschiedenen Gründen verkaufen wollten und ihnen dieser Entschluss erleichtert würde, wenn die Ikonen als Grundstock eines Ikonenmuseums in Recklinghausen bleiben könnten, war der Boden für einen solchen Entschluss bei mir vorbereitet, und ich erwiderte wörtlich: «Ja, und wir tun die Ikonen in die Turmschule.» Grochowiak sah mich erstaunt an, stimmte dann aber freudig zu. Er konnte ja nicht wissen, dass ich mir gerade Gedanken darüber machte, wie dies wohlerhaltene alte Gebäude angemessen verwendet werden könnte.»11
10 Der dritte Leihgeber war H. J. Rothemund.
11 Michaelis: Zur Geschichte (wie Anm. 2), S. 1f. Siehe auch: Dr. Michaelis: Das Ikonen-Museum in Recklinghausen zwischen Ost und West, in: Mitteilungsblatt der Gesellschaft EIKON e.V. 1/1958, o.P.
Das erwähnte, seit 1983 unter Denkmalschutz stehende Gebäude der «Turmschule», das gegenüber der mittelalterlichen Propsteikirche St. Peter mitten in der Altstadt von Recklinghausen liegt, war 1795/98 an Stelle eines abgerissenen alten Fachwerkbaus errichtet worden und diente bis 1895 als Volksschule. Von 1927–1935 war darin das regionalgeschichtliche Vestische Museum untergebracht, dann bezog bis 1945 die Kreisleitung der NSDAP dort Quartier. Nach dem Krieg war das Haus Sitz des Verlages Aurel Bongers, der später eng mit dem Ikonen-Museum zusammenarbeitete und durch seine qualitätvollen Ikonenbücher, Kunstdrucke und Postkarten wesentlich zur Kenntnis und Verbreitung der Ikonenkunst beitrug. Nach dem Auszug der bisherigen Mieter wurde das Gebäude umgebaut und als Museum eingerichtet.12
12 In der Niederschrift über die Sitzung des Bau- und Grundstücksausschusses am 10. November 1955 wird berichtet, dass der Rat der Stadt Recklinghausen 50.000 DM für den Umbau des Gebäudes der ehemaligen Turmschule durch das Hochbauamt bewilligte und weitere ca. 20.000 DM für Beleuchtung und Vitrinen.
Für die Museumsleitung war der Aufbau einer Ikonensammlung auf der einen Seite eine — damals noch kostengünstige und damit für eine Stadt wie Recklinghausen die einzige — Möglichkeit, alte Kunst zu sammeln und zu zeigen. Museumsdirektor Thomas Grochowiak, der von Haus aus Maler war, betonte außerdem stets den Einfluss der Ikonen auf die moderne Kunst.
Schon erstaunlich kurz nach dem Ende der Ausstellung, nämlich am 8. April 1955, wurden Ankäufe für das neue Ikonen-Museum von knapp über 100.000 DM bewilligt, darunter 29.766 DM für die Sammlung von Dr. Wendt und 41.000 DM für diejenige von Prof. Winkler. Das Land Nordrhein-Westfalen gab einen Zuschuss von 50.000 DM,13 und diese Art der Finanzierung der Neuerwerbungen — 50% aus Mitteln der Stadt und 50% Landesmittel — blieb für viele Jahre bestehen.
13 Schreiben des Oberstadtdirektors Legeland an Finanzminister Pütz (NRW) vom 19. Juni 1963 (Archiv des Ikonen-Museums).
Die Sammlung wuchs stetig, nachdem die Gründung eines Ikonen-Museums in Recklinghausen durch Presse und Rundfunk bekannt gegeben worden war. Diese Ankündigung hatte eine Reihe von Ikonenangeboten aus dem Kunsthandel und aus Privatbesitz zur Folge, aber auch Schenkungen und wertvolle Leihgaben, die den Bestand vergrößerten, so dass der erste Museumskatalog mit 223 Katalognummern insgesamt 258 Ausstellungsstücke ausweisen konnte. Die wissenschaftliche Bearbeitung der Bestände für den Katalog sowie das Verfassen der Katalogtexte lag seit November 1955 in den Händen von Heinz Skrobucha, der seit dem 1. April 1959 als freier Mitarbeiter und ein Jahr später bis zu seiner Pensionierung am 31. Oktober 1981 als Kustos das Ikonen-Museum zu einem zentralen Institut für die Erforschung und Vermittlung der ostkirchlichen Kunst im Westen machte.
Nachdem der Eröffnungstermin mehrfach verschoben worden war, fand die feierliche Eröffnung des Ikonen-Museums am 21. Juli 1956 durch den Vertreter des Kultusministeriums NRW, Ministerialdirigent Meurer, statt. Die Eröffnungsansprache hielt Prof. Dr. Martin Winkler zum Thema «Was haben die Ikonen den Menschen unserer Tage noch zu sagen?» Dr. Wendt konnte seine Sammlung im Museum leider nicht mehr sehen, da er wenige Monate vor der Eröffnung an Lungenkrebs gestorben war.
Soweit zur Gründungsgeschichte des Ikonen-Museums. Im Zentrum der zwei folgenden Kapitel werden die beiden Ikonensammler Dr. Heinrich Wendt und Prof. Dr. Martin Winkler stehen, ihre Lebensgeschichte und ihr Beitrag zur Museumsgründung. Das Material, das mir über Prof. Winkler zugänglich war, übertraf quantitativ bei weitem jenes über Dr. Wendt, der wie bereits erwähnt, schon kurz vor der Eröffnung des Ikonen-Museums starb. In beiden Fällen war es eine glückliche Fügung, dass die Witwen der beiden Sammler noch leben und sich äußerst kooperativ zeigten, wofür ich ihnen sehr zu Dank verpflichtet bin. Sehr wichtig waren außerdem die Forschungen und die zahlreichen Veröffentlichungen von Prof. Dr. Gerd Voigt und Dr. Erika Voigt über den Lebensweg Martin Winklers14, wobei für die beiden Wissenschaftler der Osteuropahistoriker und weniger der Ikonensammler im Mittelpunkt des Interesses steht. Ursula Winkler, Hannelore Wendt und Dr. Erika Voigt stellten mir nicht nur unveröffentlichte Manuskripte, Fotos und weiteres Material zur Verfügung, sondern gaben mir auch auf alle Fragen bereitwillig Auskünfte. Außerdem fand ich im Archiv des Ikonen-Museums einen umfangreichen Briefwechsel zwischen Prof. Winkler sowie Dr. Wendt mit Thomas Grochowiak. Im Sommer 2003 erhielt ich von Prof. Dr. Frank Kämpfer einige Briefe, die er mit Prof. Winkler in den Jahren 1976/78 gewechselt hatte. Eine weitere Zeitzeugin, die ich befragen konnte, war Dr. Anneliese Schröder. Sie war 1952/53 kommissarische Leiterin der Kunsthalle, seit 1953 wissenschaftliche Mitarbeiterin Grochowiaks und von 1979 bis 1986 Direktorin der Recklinghäuser Museen. Heinz Skrobucha, der langjährige Kustos des Ikonen-Museums, verstarb schon 1986, nur viereinhalb Jahre nach seiner Pensionierung.
14 Gerd Voigt: Martin Winkler. Ein deutscher Russlandhistoriker, 23.12.1893–3.8.1982, Zu seinem 100. Geburtstag, in: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte, Bd. 1/1994, S. 149–159; Erika Voigt: Martin Winkler — ein Wissenschaftlerleben im 20. Jahrhundert. Das Engagement des Russlandhistorikers, seine Diskriminierung und sein Kampf um Rehabilitation, in: Osteuropa 7/2000, S. 815–832; Gerd Voigt: Russland in der deutschen Geschichtsschreibung 1843–1945, Berlin 1994, Кар. 12 «Gelehrtenschicksale», S. 198ff. sowie S. 354–360; Erika Voigt: Als Vermittler zwischen allen Stühlen — Der Osteuropaforscher Martin Winkler, in: Dagmar Herrmann/Astrid Volpert (Hrsg.): Traum und Trauma. Russen und Deutsche im 20. Jahrhundert (Westöstliche Spiegelungen), München 2003, S. 274–313. Dieser Aufsatz erschien ergänzt und erweitert unter dem Titel: Als Vermittler zwischen allen Stühlen. Jahrhunderterfahrungen und Erlebnisse des Osteuropaforschers Martin Winkler, in: Karl Eimermacher und Astrid Volpert (Hrsg.): Tauwetter, Eiszeit und gelenkte Dialoge. Russen und Deutsche nach 1945, München 2006, S. 489–526.
Conrad Heinrich Wilhelm Wendt wurde am 20. Juni 1901 geboren und besuchte während seines Medizinstudiums nebenher kunst- und geisteswissenschaftliche Vorlesungen und Übungen, z.B. in Slawistik bei Prof. Dr. Hirt in Gießen und in Orientalistik bei Prof. Dr. von Soden in Göttingen.15 Schon als Student regte ihn eine Reise durch Rumänien dazu an, sich eingehend mit der Ikonenmalerei der Ostkirche zu beschäftigen. Offenbar war er sehr an Sprachen interessiert, denn er lernte Russisch, Bulgarisch, Arabisch und Griechisch. Heinrich Wendt begann 1929 Ikonen zu sammeln und sich mit dieser damals kaum bekannten Kunst zu beschäftigen. In einem SPIEGEL-Artikel über den Ikonen-Sammler Dr. Wendt vom 29. Dezember 1949 berichtet er, dass er seine erste Ikone, die vom Berg Athos stammte, bei einem Frankfurter Kunsthändler für 25 RM gekauft habe. 1934 überließ ihm Professor Dr. Oskar Wulff nach seiner Emeritierung Teile seiner handschriftlichen Aufzeichnungen und seines Bildarchivs zur weiteren Bearbeitung.
15 Die Angaben basieren zum großen Teil auf einem von Wendt verfassten zweiseitigen (undatierten) Lebenslauf, den mir seine Witwe, Hannelore Wendt, freundlicherweise im November 2002 zur Verfügung stellte.
Im Zweiten Weltkrieg war Wendt wieder in Rumänien, dieses Mal als Oberstabsarzt, wo er mehr in Kirchen, Klöstern und Museen herumstöberte, «als die anbefohlene Verbindung zum rumänischen Gesundheitsministerium erforderte» (wie es in dem oben genannten Bericht im SPIEGEL heißt). Er sei auch ein dreiviertel Jahr lang von Prof. Dr. Bratulescu vom Museum für kirchliche Kunst in Bukarest immer wieder gerne zur Beurteilung von Ikonen herangezogen worden. Die Verbindung zum Balkan intensivierte sich durch seine Vermählung mit der bulgarischen Zahnärztin Dr. Katja Dimkova, die eine Verwandte des bekannten bulgarischen Byzantinisten und späteren Ministerpräsidenten von Bulgarien während der faschistischen Ära, Prof. Bogdan Filov, war.16 Auf zahlreichen Reisen durch Bulgarien und durch Jugoslawien vervollständigte er seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Ikonenmalerei und besuchte während des Zweiten Weltkriegs in Bulgarien auf Einladung der Geistlichen Akademie in Sofia alle größeren Klöster, um die dort vorhandenen Ikonen zu studieren.
16 DER SPIEGEL vom 29. Dezember 1949. Bogdan Dimitrov Filov (* 28. März 1883) war Professor für Archäologie in Sofia und seit 1920 Direktor des Bulgarischen Archäologischen Instituts. Von 1937 bis 1944 war er Vorsitzender der bulgarischen Akademie der Wissenschaften und von 1940 bis 1943 Ministerpräsident Bulgariens. Am 1. Februar 1945 wurde er wegen seines Terrors gegen die Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand hingerichtet.
Dr. Wendt praktizierte als Facharzt für Haut- und Harnkrankheiten in Hannover, doch scheint seine ganze Leidenschaft den Ikonen gegolten zu haben. Er trug nicht nur eine der bedeutendsten Privatsammlungen zusammen, sondern er publizierte ein Buch über die rumänische Ikonenmalerei17 sowie zahlreiche Artikel18, hielt Vorträge19, stand mit vielen Wissenschaftlern aus zahlreichen Ländern in Kontakt und organisierte die ersten Ikonen-ausstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg.
17 Rumänische Ikonenmalerei. Eine kunstgeschichtliche Darstellung, Eisenach 1953.
18 Rezension von Heinrich Wölfflins «Gedanken zur Kunstgeschichte», in: «Die Kunst», 3/1949; Die Kunst der Ikonenmalerei, in: wir alle. Arbeiten mit der Jugend für die Jugend 15, Wiesbaden Mai 1950, S. 22–23; Die heiligen Ärzte in der Ostkirchenkunst, in: Centaurus. International Magazine of the History of Science and Medicine 1, Kopenhagen 1950/51, S. 132–138; Bilderlehre und Ikonenverehrung. Ein Beitrag zum Verständnis der alten Ikonenmalerei, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 2, 1949/1950, S. 23–33; Ikonenkunst und Mystik, in: Die Neue Zeitung 31. Januar 1950, S. 4; Das Silbergewand der Ikonen, in: Die Weltkunst 11/1950, S. 2–4; Ideen wurden Bilder. Stil und Ausdruck der Ikonenmalerei, in: DIE ZEIT (Feuilleton) vom 6. April 1950, S. 4; Russische Ikonen. Sonderausgabe der Zeitschrift «Das Kunstwerk», Baden-Baden 1951; Ikonenausstellung 1952, Ausstellungskatalog Hannover und Göttingen Januar bis März 1952; Das russische Osterbild, in: Universitas, Jg. 8, S. 429–433; Ikonen, Kunsthalle Basel 5. April — 18. Mai 1952 (Einführung «Ikonen», Katalogbeiträge); Der heilige Nikolaos Thaumaturgos. Seine Heilungen und Wundertaten, in: Therapeutische Berichte 27, 374/1955; Russen begruben Heiligenbild. Die Bedeutung der Ikonenmalerei, in: Neue Ruhr-Zeitung vom 8. Januar 1955.
19 Z.B. in den Evangelischen Akademien in Hermannsburg (im Juni 1950) und Goslar, im Landesmuseum (November 1949) und in der «Brücke» in Hannover sowie in der Kunsthalle Basel.
Sein geplantes großes Buch über russische Ikonen «Die Ikone. Eine Einführung in die Holztafelmalerei der Ostkirche» ist nicht mehr gedruckt worden. Es war im Manuskript beendet und sollte noch 1952 im Erich-Röth-Verlag erscheinen und mit 500 Seiten Text in fünf Hauptabteilungen und mit 30 fünffarbigen und 150 schwarzweißen Tafeln die bisher grundsätzlichste und umfangreichste Darstellung des Themas in deutscher Sprache sein. Nach einem maschinenschriftlichen Manuskript zu schließen, von dem ich einige Teile im Nachlass fand, bereitete Wendt auch ein Buch mit dem Titel «Die Ikone. Zur Kultur- und Kunstgeschichte der ostkirchlichen Holztafelmalerei» vor, das als Urban-Buch des Verlags W. Kohlhammer in Stuttgart 1955 publiziert werden sollte, mit einem Vorwort von Prof. Dr. Martin Winkler. Aber auch dieses Buch ist — wohl wegen des Todes von Dr. Wendt Anfang 1955 — nie erschienen.
Wie aus einem ganzen Konvolut von Briefen, die mir Frau Wendt überließ, hervorgeht, pflegte Heinrich Wendt Kontakte mit den Professoren Helge Kjellin in Karlstad (Schweden), Vladimir Losskij in Paris, W. Sas-Zaloziecky, Walter Felicetti-Liebenfels in Graz, mit Engelbert Kirschbaum, Nikolaj Andreev in Cambridge,20 mit Dmitrij Tschižewskij in Cambridge (Mass.) und vielen anderen Wissenschaftlern. Besonders interessant ist die Korrespondenz mit den Vorsitzenden der Gesellschaft «Ikona» in Montreuil, Vladimir P. Rjabušinskij (Riabouchinsky) und Leonid Uspenskij (Ouspensky), die sich zwar darüber freuten, dass sich ein Ausländer für die russische sakrale Kunst interessiert, in ihren Briefen21 aber auch offen vieles korrigieren und kritisieren, was Wendt in seinen Artikeln schrieb. Uspenskij vertrat in einem Brief an Wendt vom 20. November 1950 die Ansicht, dass es sinnvoller sei, beispielsweise ein Werk wie Viktor Lazarevs «Byzantinische Kunst» zu übersetzen, anstatt ein zwangsläufig weit weniger kompetentes Werk zu publizieren.22 In den Briefwechseln mit den russischen, meist altgläubigen Partnern wie Rjabušinskij, Uspenskij und dem aus Riga stammenden Künstler, Ikonenmaler und — Restaurator Eugène Klimoff (Evgenij Klimov), der seit August 1950 in Quebec lebte, wird deutlich, dass die orthodoxen Russen seinen Standpunkt eines Liebhabers «von außen» (Uspenskij: «un amateur du dehors») nur schwer akzeptieren konnten. Uspenskij schreibt, dass man die Ikonenkunst wie auch die heiligen Texte auf die Weise, wie Wendt es versuche, niemals ganz wird verstehen können, und man sich nur allmählich dem Verständnis nähern könne in der Kirche und durch die Kirche. Jeder andere Weg erscheine ihm wie der eines Menschen, der die Sonnenstrahlen genieße und dabei die Sonne ignoriere.23 Das waren Auffassungen, die völlig im Gegensatz zu Wendts rein wissenschaftlichem Interesse an Ikonen standen.
20 Kunsthistoriker und Direktor des Kondakov-Instituts in Prag wurde 1948 für Vorlesungen nach Cambridge eingeladen, wo er sich niederließ.
21 Frau Wendt überließ diese Schreiben am 17. Januar 2003 dem Archiv des Ikonen-Museums.
22 Schreiben vom 20. November 1950 an Heinrich Wendt.
23 Wie Anm. 22.
1952 fanden in Deutschland die ersten beiden Ikonenausstellungen statt nach der vom Volksbildungskommissariat der damaligen RSFSR 1929 veranstalteten Wanderausstellung russischer Ikonen in verschiedenen deutschen Städten. Dieses Mal sollten Ikonen aus allen orthodoxen Ländern gezeigt werden, und zwar ausschließlich solche aus Privat- und Klosterbesitz. Die Ausstellung, deren wissenschaftliche Leitung Dr. Wendt innehatte, wurde im Kestner-Museum in Hannover vom 6. bis 31. Januar 1952 und anschließend in Göttingen (Februar — März) gezeigt. Sie präsentierte insgesamt 211 Ikonen aus seiner eigenen Sammlung und von 37 anderen Leihgebern, darunter aus der Kollektion des verstorbenen Schauspielers Paul Wegener, der Benediktinerinnenabtei zum Hl. Kreuz in Herstelle-Weser, Dr. Siegfried Amberg aus Ettiswil, Prof. Winkler und aus dem Museo Rieder in Morcote im Tessin.24
24 Weitere Leihgeber waren das Julianum in Würzburg, das Frobenius-Institut in Frankfurt, Prinzessin Kyra von Preußen und Fürstin Maria von Leiningen, beides Töchter des verstorbenen Großfürsten Kyrill, E. Gessler, Wien und Prof. Dr. Zylmann, Hamburg.
Der Verlag Woldemar Klein in Baden-Baden brachte zur Ausstellung ein Ikonen-Sonderheft seiner Zeitschrift «Das Kunstwerk» heraus. Die Ausstellung wurde danach vom 5. April bis 18. Mai 1952 in der Kunsthalle Basel mit 195 Exponaten gezeigt, wobei Dr. Wendt die Leihgaben aus deutschem Privatbesitz vermittelte und katalogisierte und außerdem einen einführenden Beitrag zum Katalog schrieb.
Der SPIEGEL schrieb am 29. Dezember 1949, dass Wendt «wohl die größte Sammlung orthodoxer Holztafelbilder» in Deutschland besitze, 70–80 Stück, und bezeichnete ihn als den einzigen deutschen Kunstwissenschaftler, der sich die Ikonographie als Sondergebiet erkor. Zwei Jahre später, am 26. September 1951 wird diese — nicht ganz korrekte Aussage, v.a. im Hinblick auf die noch zu besprechende Sammlung von Prof. Winkler — in einem zweiten SPIEGEL — Artikel wiederholt und die Sammlung Wendt als die «einzige namhafte Ikonensammlung in Deutschland» bezeichnet. Abgebildet ist dort die großformatige russische Ikone der Muttergottes Tichvinskaja aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich jetzt im Ikonen-Museum befindet (Inv. Nr. 47)25. Leider ist nur bei wenigen Stücken nachvollziehbar, aus welchen Sammlungen die einzelnen Ikonen stammen, die aus der Kollektion von Dr. Wendt in das Ikonen-Museum Recklinghausen kamen. Mehrere Ikonen, die dann zu den bedeutendsten seiner Sammlung zählten, erwarb er 1929 in einer Ausstellung in Warschau. In einem kleinen, in einer russischen und einer polnischen Version herausgegebenen Katalog mit dem Titel «Die russische Ikone. Beschreibung einer Privatsammlung altrussischer Ikonen in Warschau»26, der von dem Ehrenmitglied des St. Petersburger Archäologischen Instituts Nikolaj G. Piotrovskij verfasst wurde, sind mehrere Ikonen publiziert, die in die Sammlung von Wendt gelangten. In dem Katalog wird erwähnt, dass die Ikonen aus der ca. 35 Stück umfassenden Sammlung des Grafen Kazimierz Skarzyński stammen, der sie 1928 von einer Privatperson erworben hatte.27 Zu den Ikonen, die Wendt dort kaufte und die sich jetzt im Ikonen-Museum Recklinghausen befinden, gehören die Vita-Ikone des hl. Nikolaus aus der Zeit um 1500 (Inv. Nr. 160)28 und eine weitere Vita-Ikone aus dem 17. Jahrhundert, die als Darstellung des Apostels Andreas (Inv. Nr. 141) bezeichnet wurde, deren Szenen diese Identifizierung aber meiner Meinung nach nicht zulassen. Da der Hintergrund des Mittelfeldes genauso wie die Ränder «freigelegt» worden waren, sind keine Inschriften mehr vorhanden, und es ist bisher nicht gelungen, den Heiligen zu identifizieren.29 Von hoher Bedeutung ist auch eine große Novgoroder Ikone der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Inv. Nr. 118), welche in der oberen Reihe vier Festtage zeigt, nämlich die Verkündigung, die Geburt Christi, die Höllenfahrt und die Empfängnis der Muttergottes und darunter in drei Reihen ganzfigurig dargestellte Heilige. Die Zusammenstellung der Feste und der Heiligen folgt nicht kalendarischen Prinzipien, sondern wohl den heute nicht mehr nachvollziehbaren Wünschen des Auftraggebers.30 Außerdem gehört zu diesen Ikonen die Höllenfahrt (Inv. Nr. 111) aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, bei der die Auferstehung Christi aus dem Grabe in der unteren rechten Ecke hinzugefügt ist,31 und schließlich die Ikone «Entschlafen der Muttergottes» (Inv. Nr. 93), die in das 15. Jahrhundert datiert wurde, deren Authentizität aber fraglich ist.32 Diese Ikone erwähnt Wendt auch in einem Brief vom 2. Juli 1947 an Eugène Klimoff, in dem er davon spricht, dass er etwa 70 Ikonen besitze, «darunter auch eine Nowgoroder Koimesis aus dem XV. Jh., mein Glanzstück.» Des Weiteren schreibt er an Klimoff, dass er nach Möglichkeit verschiedene Typen gesammelt habe. «Die meisten Ikonen stammen aus dem Balkan, wo mich zu Bulgarien (meine Frau ist Bulgarin) und zu Rumänien (ich lebte ein Jahr in Bukarest) starke Beziehungen verbanden. Ein Teil der Ikonen stammt aus dem Kunsthandel.»
25 L. Ouspensky/V. Lossky: The Meaning of Icons, New York 1982, Farbabb. S. 83; Icônes russes. Le ciel sur la terre. Ausstellungskatalog Musée de Fourvière, Lyon 2006, Kat. Nr. 25.
26 Н. Г. Пиотровский: Русская икона. Описание частнаго собрания древнерусских икон в Варшаве (bzw. Mikołaj Piotrowski: Ikona ruska. Opis zbioru prywatnego starożytnych ikon ruskich w Warszawie), Warschau 1929.
27 Пиотровский: Русская икона (wie Anm. 26), S. 17.
28 Пиотровский: Русская икона (wie Anm. 26), Nr. 7, dort ins 15. Jh. datiert. Icônes russes (wie Anm. 25), Kat. Nr. 65. Inzwischen wurde die Ikone von Ivan Bentchev restauriert und von Übermalungen befreit.
29 Пиотровский: Русская икона (wie Anm. 26), Nr. 28; Ikonen-Museum (Kunstsammlungen der Stadt Recklinghausen), Recklinghausen 6. Ausgabe 1981, Kat. Nr. 329, Abb. 67.
30 Пиотровский: Русская икона (wie Anm. 26), Nr. 5; Eva Haustein-Bartsch: Ikonen-Museum Recklinghausen, München 1995, S. 85.
31 Пиотровский: Русская икона (wie Anm. 26), Nr. 14; Ikonen-Museum (wie Anm. 29), Kat. Nr. 256, Abb. 72.
32 Пиотровский: Русская икона (wie Anm. 26), Nr. 6; Ikonen-Museum (wie Anm. 29), Kat. Nr. 211, Abb. 41.
Zu den wenigen Stücken, deren Provenienz ich herausfinden konnte, zählt eine Ikone der «Muttergottes von Vladimir» (Inv. Nr. 55) mit einem prachtvollen Oklad aus Silberfiligran mit Email und Halbedelsteinen. Wie ein in Moskau 1888 erschienener Katalog belegt, gehörte sie damals der berühmten Sammlung des Moskauer Kaufmanns Nikolaj Michajlovič Postnikov an.33 Wann und auf welchem Wege sie in den Westen und in die Sammlung von Dr. Wendt gelangte, ist jedoch nicht bekannt.
33 Каталог христианских древностей собранных Московским купцем Николаем Михайловичем Постниковым, Moskau 1888, Nr. 3229, S. 154, Taf. 41; Ivan Bentchev und Eva Haustein-Bartsch: Muttergottesikonen, Ausstellungskatalog Recklinghausen 2000, S. 124, Abb. S. 125.
In dem schon mehrfach zitierten Artikel im SPIEGEL vom 29. Dezember 1949 wird erwähnt, dass Dr. Wendt die Ikonensammlung des Schauspielers Paul Wegener (11. Dezember 1874 — 13. September 1948) nach dessen Tod übernahm. 40 Ikonen aus dem Besitz von Dr. Wendt blieben in Hannover in der Sammlung von Olaf C. Werckmeister (16. Februar 1922 — 17. Dezember 1960) erhalten, darunter auch acht aus dem Besitz Wegeners.34 Werckmeister hatte sie am 30. November 1950 im Auktionshaus E. A. Becker in Berlin ersteigert, wie er am 18. August 1956 Heinz Skrobucha schrieb.35 Das heißt, dass ungefähr die Hälfte der Ikonensammlung von Dr. Wendt nach Recklinghausen verkauft wurde, nämlich 47 Holz-ikonen. Darunter sind die sehr interessante nordrussische Ikone «Es kommt der Schutzengel in der ersten Tagesstunde» aus dem 17. Jahrhundert (Inv. Nr. 124)36, die kleine ovale Darstellung des Evangelisten Lukas aus dem Ende des 18. Jahrhunderts (Inv. Nr. 139) und die wundervoll gemalte Ikone der Narren in Christo Ioann und Prokopij aus Ustjug aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Inv. Nr. 154).37 Außer den auf Holz gemalten Ikonen kamen zwei Ampeln, ein Weihrauchgefäß, zwei rumänische Grabkreuze sowie zwei russische Holzkreuze nach Recklinghausen.
34 Nachruf von H. H. Wie ich von der Witwe von Olaf Werckmeister erfuhr, befinden sich die Ikonen noch immer in ihrem Besitz.
35 Siehe den Briefwechsel mit Heinz Skrobucha von 1956 bis zum Tode Olaf Werckmeisters 1960 im Archiv des Ikonen-Museums.
36 Ivan Bentchev: Engelikonen im Ikonen-Museum Recklinghausen (Monographien des Ikonen-Museums Bd. VII), Recklinghausen 2002, S. 86–96, Abb. S. 87.
37 1000 Jahre Orthodoxe Kirche in der Rus' 988–1988. Russische Heilige in Ikonen, Recklinghausen 1988, Kat. Nr. 173, Abb. S. 117; Ausstellungskatalog «Beyond Icons. Ikonen — Jawlensky — Jachens, Ikonen-Museum Recklinghausen 2006, Abb. S. 24.
Da Dr. Wendt an Lungenkrebs erkrankt war, konnte er nicht mehr praktizieren und lebte seit 1953 mit seiner zweiten Frau Hannelore geb. Weißhorn, die er Ende 1952 geheiratet hatte, in der Villa Rivabella Arbostora in Morcote im Tessin. Er beschäftigte sich nur noch mit Ikonen, katalogisierte die Ikonen im Museum Rieder in Morcote und begann mit der wissenschaftlichen Bearbeitung der Ikonen von Giovanni Battista Montini, dem späteren Papst Paul VI (1963–78).38
38 Auskünfte von Hannelore Wendt am 3. März 2003.
Dr. Wendt konnte seine Sammlung nicht mit in die Schweiz nehmen. Deshalb war er daran interessiert, während der Recklinghäuser Ausstellung einige Ikonen aus seiner Sammlung an Interessenten zu verkaufen. Als Thomas Grochowiak ihm eine Woche nach Eröffnung der Ikonenausstellung in Recklinghausen seine Idee von der Gründung eines Ikonenmuseums unterbreitete, für die zuerst die untere Etage der Kunsthalle reserviert und später ein eigenes Gebäude bereit gestellt werden sollte, war Wendt begeistert und nannte sie einen «Knüller».39 Seit fünf Jahren habe er sich bemüht, ein Ikonenmuseum oder eine ostkirchliche Abteilung eines Museums anzuregen, zuerst in seiner Heimatstadt Hannover, dann in Hamburg und schließlich in Berlin, um die im Krieg verloren gegangene Ikonensammlung des Kaiser Friedrich-Museums wieder aufzubauen. Er sei jedoch auf kein großes Interesse gestoßen. Fast täglich unterbreitet er nun Grochowiak neue Ideen für das Museum. Es ist ihm ein großes Anliegen, dass die Ikonen wissenschaftlich exakt beschriftet werden, und er bietet deshalb eine beratende Tätigkeit an, die auch den Einkauf weiterer Ikonen für das Museum umfassen würde. Sein Traum ist die Gründung eines dem Ikonen-Museum angegliederten «Instituts für Ikonenkunde» oder «Instituts für ostkirchliche Kunst», dessen wissenschaftliche Leitung er übernehmen möchte.40 Am 19. Januar 1955 berichtet er Grochowiak davon, dass ihm von der Humboldt-Universität in Berlin eine Professur angeboten worden sei, der er jedoch die Leitung des Recklinghäuser Instituts vorziehen würde. Leider blieb das Institut — bis heute — ein Traum, denn schon am 27. Februar 1956 — also fünf Monate vor der Eröffnung des Ikonen-Museums — erlag Dr. Wendt seiner schweren Krankheit.
39 Schreiben an Grochowiak vom 14. Januar 1955 im Archiv des Ikonen-Museums.
40 Schreiben an Grochowiak vom 15. und 26. Januar 1955.
Die Stadt Recklinghausen erwarb für das Ikonen-Museum insgesamt 47 Werke aus seiner Sammlung für 29.766 DM, und auch seine Bibliothek und Bildmaterial wurden vom Museum übernommen.41
41 Heinz Skrobucha: Fünf Jahre Ikonenmuseum Recklinghausen, in: Kirche im Osten 4/1961, S. 188.
Martin Eduard Winkler wurde am 23. Dezember 1893 in Leipzig als Sohn eines praktischen Arztes geboren. Nach dem Abitur an der Thomasschule in Leipzig studierte er ein Semester an der deutschen Universität in Straßburg Geschichte, Literatur- und Kunstgeschichte und Archäologie. Nach Kriegsausbruch wurde er an der Universität Leipzig immatrikuliert und begann mit dem Studium am Lamprechtschen Institut für Kultur- und Universalgeschichte. Aber schon kurz danach wurde er eingezogen und im Herbst 1915 in der Schlacht am Narew (nördlich von Warschau) schwer verwundet. Er verlor den rechten Arm, und von der linken Hand blieben ihm nur die beiden letzten Finger. Doch mit großer Willenskraft schaffte er es, wenige Monate nach seiner Genesung sein Studium im Wintersemester 1915/16 wieder aufzunehmen.
Obwohl durch seine Verstümmelung an den Beruf eines Archäologen nicht mehr zu denken war, überwogen noch immer die Vorlesungen über das klassische Altertum und Ägypten sowie zur europäischen Geistesgeschichte der Frühzeit.42 Erst als Prof. Karl Stühlin (1865–1939) seine Lehrtätigkeit in Leipzig aufnahm, wandte sich Winkler immer stärker der osteuropäischen Thematik zu und promovierte 1920 bei ihm.43 Anschließend begann er mit einem Stipendium, seine Habilitation zur russischen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts vorzubereiten. Dazu schien es ihm unerlässlich, das Land, dessen Kunst- und Kulturgeschichte der Forschungsschwerpunkt seines ganzen Lebens werden sollte, mit eigenen Augen zu sehen. Außer den beiden russischen Hauptstädten Moskau und Petrograd interessierten ihn in viel größerem Maße die fast unbekannte Provinz und die frühe russische Kunst- und Kulturgeschichte. 1924 reiste er zum ersten Mal nach Russland, zusammen mit seiner ersten Frau Dr. Anna-Luise von Frank, die in St. Petersburg geboren war und an der Universität Leipzig weitgehend die selben Fächer belegt hatte wie Winkler.44 Außer Moskau und St. Petersburg besuchte er die Klöster im Norden wie das Kirill Belozerskij-Kloster und das Ferapont-Kloster, die Städte Jaroslavl' und Vladimir. Äußerst lebendig erzählt er von seinen Erlebnissen auf dieser Reise, die in einem von Gerd und Erika Voigt herausgegebenen Band publiziert sind.45 Auf dieser und acht späteren Reisen lernt er bedeutende Kunsthistoriker und Ikonenforscher kennen, z.B. den Maler und Ikonenrestaurator Igor' Grabar', der 1931 ein großes, heute verschollenes Porträt von ihm schuf.
42 Die meisten Angaben sind einem maschinenschriftlichen Lebenslauf Winklers entnommen, der sich im Universitätsarchiv Leipzig befindet. Für eine Kopie danke ich Helmut Brenner aus Meerbusch sehr herzlich.
43 Martin Winkler: August von Schlözers Studien zur russischen Geschichte, phil. Diss. Leipzig 1920, Nachlass Winkler.
44 Anna von Frank wurde am 26. September 1895 in St. Petersburg als Tochter des Kupferstechers/Graveurs Gustav von Frank (1859–1923) geboren, der 1890 an die Kaiserlich Russische Akademie der Künste berufen wurde und dort die Abteilung zur Anfertigung der Staatspapiere leitete. 1899 erfolgte seine Berufung zum «Kaiserlich Russischen Wirklichen Staatsrat» und Mitglied der Akademie der Künste. Er war der Cousin Gustav Mahlers und war eng mit Künstler wie Ilja Repin befreundet. Anna von Frank übersiedelte mit ihren Eltern 1909 nach München und 1913 nach Leipzig. Maschinenschriftlicher Lebenslauf von Anna von Frank im Universitätsarchiv Leipzig und Kurzbiographie von Gustav von Frank in: Gustav Mahler: «Liebste Justi». Briefe an die Familie, hrsg. von Stephen McClatchie und Helmut Brenner, Bonn 2005, S. 543. Helmut Brenner verdanke ich Kopien der beiden Quellen sowie den Hinweis, dass die zwischen Juli 1922 und Mai 1923 geschlossene, kinderlose Ehe zwischen Anna und Martin Winkler vom Landgericht Königsberg 1931 geschieden wurde.
45 Martin Winkler: Zwischen Moskau und Archangelsk. Meine erste Reise in die Sowjetunion im Jahre 1924, hrsg. und eingeleitet von Gerd und Erika Voigt, Berlin 1996.
Der Sammler und Ikonenforscher Prof. Aleksandr I. Anisimov (1877–1937)46 sowie der Ikonenrestaurator Grigorij Čirikov wurden seine Freunde. Bei Čirikov erlebte er 1924 die Freilegung der berühmten Ikone der «Großen Panagia» aus der Zeit um 122447 und fotografierte die Restauratoren Čirikov und Tjulin bei ihrer Arbeit. Sie luden Winkler zur 900-Jahrfeier der Stadt Jaroslavl' ein, wo er eine kurze Ansprache hielt. Zu seinen Bekannten zählte auch der Volkskommissar Anatolij Lunačarskij (1875–1933). Lunačarskij stellte bereitwillig einen «Passierschein» (propusk)** für Winkler aus, der ihm ungehinderten Zugang zu Klöstern und Museen gewährte. Des Weiteren traf Winkler den Dichter Valerij Brjusov (1873–1924) und die Tänzerin Isadora Duncan (1878–1927), die kurze Zeit mit dem populären Dichter Sergej Esenin (1895–1925) verheiratet war. Er reiste stets ohne Beschränkungen und ohne Begleitung durch staatliche oder fachliche Betreuer. Gern nahm er jedoch das Angebot seines Freundes Prof. Anisimov an, mit der österreichischen Kunsthistorikerin Dr. Fannina W. Halle (1881–1963) die Baudenkmäler in Vladimir und Suzdal aufzusuchen, über deren Bauplastik Frau Halle schon vor dem Krieg gearbeitet hatte.48
46 In der Stalinzeit wurden Anisimov seine Kontakte zu ausländischen Wissenschaftlern zur Last gelegt. Nach seiner Festnahme durch den KGB am 7. Oktober 1930 sagte er bei einem Verhör aus, dass er Fannina Halle 1911 und Martin Winkler 1924 kennen gelernt habe. Vgl. hierzu И. Л. Кызласова: Александр Иванович Анисимов (1877–1937), Moskau 2000, S. 72.
47 G. Voigt: Russland (wie Anm. 14), S. 357. Abbildung der Ikone in: Viktor Nikitič Lazarev: Die russische Ikone, hrsg. von G. I. Vzdornov, Zürich u. a. 1997, Abb. 21, S. 165.
48 Fannina W. Halle: Die Bauplastik von Wladimir-Ssusdal. Russische Romanik, Berlin 1929. Von dieser Autorin ist auf Deutsch außerdem erschienen: Alt-Russische Kunst (Orbis Pictus/Weltkunst-Bücherei Bd. 2), Berlin o. J. Von Fannina Halle, die sich in den dreißiger Jahren als Soziologin und Publizistin mit der Rolle der Frau in der Sowjetunion beschäftigte und in den vierziger Jahren nach New York übersiedelte, erwarb das Ikonen-Museum 1958 zehn Ikonen, die früher einmal im Besitz von Prof. Dmitrij Ajnalov (1862–1939) gewesen waren, sowie ihre Fachbibliothek. Darunter befinden sich zwei Publikationen von Anisimov mit einer Widmung an «Фанни Борисовна Галле: Раскрытие памятников древнерусской живописи, Moskau 1921 und Домонгольский период древнерусской живописи, Moskau 1928. 1983 gab der VNIIR in Moskau eine Sammlung von Aufsätzen des bedeutenden Kunsthistorikers unter dem Titel «О древнерусском искусстве» heraus. Erika Voigt bereitet zurzeit die Publikation eines bedeutenden Textes von Anisimov vor, den sie im Nachlass von Winkler entdeckt hatte. Sie fand heraus, dass es sich um den Einführungstext zum Katalog der Ausstellung «Denkmäler altrussischer Malerei» von 1929 handelte, der jedoch nicht gedruckt wurde, weil Anisimov inzwischen in Ungnade gefallen war.
Gerd und Erika Voigt schreiben im Vorwort zu ihrem Buch: «Der ersten Reise Martin Winklers schlossen sich jährlich weitere mehrmonatige Studienaufenthalte an,49 in denen er sich große Teile Russlands erschloss, von Armenien bis in Gebiete im hohen Norden, am Weißen Meer. Wie kein anderer deutscher Russlandhistoriker der Weimarer Republik hielt er sich in den Jahren bis 1933 am längsten in der UdSSR auf, insgesamt mehr als zwei Jahre. Immer auf der Suche nach wenig bekannten Kunstsammlungen, abgelegenen Wallfahrtsorten, Klöstern und Werkstätten der Volkskunst durchquerte er in dem Riesenreich mit dem Zug, mit dem Tarantas — ein von alters her in Russland üblicher ungefederter Reisewagen —, per Schiff und zu Fuß viele Tausend Kilometer. Wie kaum ein anderer Fachkollege aus Deutschland gewann er durch seine Gespräche und Beobachtungen bei den Begegnungen auf dem Lande, in Dörfern mit Bauern und Handwerkern, in Klöstern mit Mönchen und Nonnen und bei Bahnfahrten mit jugendlichen Reisenden einen Einblick in das tägliche Leben und in Geisteshaltungen verschiedener Generationen und Bevölkerungsgruppen des Landes.»50
49 Bis 1932 machte Martin Winkler in den Semesterferien neun Forschungsreisen in die Sowjetunion, über die jedoch zumeist keine Berichte vorliegen. Siehe E. Voigt: Martin Winkler (wie Anm. 14), S. 818.
50 Winkler: Zwischen Moskau und Archangelsk (wie Anm. 45), S. 11.
Er schleppte stets zwei Fotoapparate, ein schweres Holzstativ und einen Koffer voll Glasplatten mit sich und machte Hunderte von Aufnahmen, teilweise von Kulturdenkmälern, die heute nicht mehr erhalten sind.51 Die Aufnahmen dienten ihm — in Großformat auf Pappe aufgezogen und an die Tafel gepinnt — unter anderem als Anschauungsmaterial für seine Studenten. In einem Brief an Frank Kämpfer erzählt er auch davon, dass er in den Jahren 1928 bis 1931 Filme in Russland gedreht habe, «darunter eine Parade auf dem Roten Platz am 7. November 1931! Ausserordentlich eindrucksvoll: Betende vor der damals noch nicht beseitigten Kapelle der Gottesmutter von Kazan neben dem Hist. Museum, Novgorod im Winter etc.»52
51 Ebd., S. 17.
52 Schreiben von Martin Winkler an Frank Kämpfer vom 17. Juni 1979 (im Archiv des Ikonen-Museums).
Bis 1932 unternahm Martin Winkler insgesamt neun ausgedehnte Reisen in die Sowjetunion. Erst nach sehr langer Zeit — nach über vierzig Jahren — reiste er 1973 noch einmal mit seiner vierten Frau Ursula nach Moskau und Vladimir. Zum Dank für eine Schenkung von Gedichtmanuskripten, Briefen, Gemälden und Zeichnungen des russischen Dichters Michail Lermontov aus der Sammlung Winklers an das Literaturmuseum in Moskau 1962 hatte ihm das sowjetische Kulturministerium eine mehrmonatige Reise durch Russland ermöglicht, die erst 1973 zustande kam. Er erkannte das Land und seine Menschen jedoch kaum wieder. Enttäuscht brach er die Reise vorzeitig ab, weil ihn die Atmosphäre bedrückte und im Gegensatz zu früher nur sehr eingeschränkt Kontakte zu Kollegen möglich waren.53
53 E. Voigt: Als Vermittler (wie Anm. 14), S. 309–312.
Aber kehren wir wieder in die zwanziger Jahre zurück. 1925 erhielt Winkler in Königsberg einen Lehrauftrag und habilitierte sich ein Jahr später für mittlere und neuere Geschichte.54 1929 wurde er zum Professor für osteuropäische Geschichte und Direktor der Historischen Abteilung des Russlandinstituts an die Albertina in Königsberg berufen, doch mit dem Beginn der NS-Herrschaft verlor er Ende 1934 seinen dortigen Lehrstuhl; Forschung und Lehre wurden ihm untersagt. Er hatte in der Zeit des Röhm-Putsches vom 30. Juni 1934 gegenüber seinen Studenten nicht verhehlt, wie kritisch er die innenpolitische Situation Deutschlands sah.55 Wegen seiner engen Kontakte zu russischen Kollegen und der offensichtlichen Sympathien gegenüber seinem Forschungsgegenstand wurde er als Kommunist verdächtigt. Am 8. Juni 1935 folgte er einem Ruf an die Universität Wien als ordentlicher Professor für die Geschichte Osteuropas.56 Seine offene Ablehnung des Nationalsozialismus führte jedoch auch hier — nach dem Einmarsch der Nazis in Österreich — zu einer verwüstenden Durchsuchung seiner Wohnung und Institutsräume durch die Gestapo im März 1938 und zu seiner sofortigen Beurlaubung Anfang November 1938. Im März 1939 wurde er — mit 46 Jahren — in den Ruhestand versetzt, «mit der Hälfte des Ruhegenusses».57 Das Berufsverbot traf ihn besonders schwer, da er aufgrund seiner Kriegsverletzung keine manuellen Arbeiten verrichten und sich auf diese Weise seinen Lebensunterhalt verdienen konnte. Außerdem erhielt er Aufenthaltsverbot für Wien, und es wurde ihm untersagt, öffentliche Bibliotheken zu benutzen. Letzteres betraf auch Berlin, wohin er wegen familiärer Kontakte umzog. Nur auf seine private Bibliothek gestützt, arbeitete er weiter an seinem Lebenswerk, der «Russischen Kulturgeschichte», die er 1942 in vier umfangreichen Teilen beendete. Das 900 Seiten umfassende Werk, an dem er schon seit seinen ersten Reisen in die Sowjetunion arbeitete, konnte jedoch in dieser Zeit nicht erscheinen, da Winkler nicht bereit war, es nach den Vorstellungen der nationalsozialistischen Ideologie, wie sie in Rosenbergs «Mythos des XX. Jahrhunderts» niedergelegt war, umzuarbeiten.58
54 Frank Kämpfer: Martin Winkler (23. Dezember 1893 — 3. August 1982). Versuch eines Nachrufes und zugleich Erinnerung an die Geschichte des Faches Osteuropäische Geschichte, in: Jahrbuch für Geschichte Osteuropas 31/1983, S. 314.
55 E. Voigt: Martin Winkler (wie Anm. 14), S. 818f.
56 Zur Wiener Zeit siehe E. Voigt: Martin Winkler (wie Anm. 14), S. 820–822.
57 Mitteilung des Reichsstatthalters Seyß-Inquart vom 16.3.1939, zit. nach E. Voigt: Martin Winkler (wie Anm. 14), S. 822.
58 Kämpfer: Martin Winkler (wie Anm. 54), S. 315f.; E. Voigt, Als Vermittler (wie Anm. 14), S. 289–293.
Aus seinen finanziellen Schwierigkeiten half ihm vorübergehend 1941 die Drucklegung seines «Zarenlegende» genannten Buches über Zar Aleksandr I., das eine hervorragende Resonanz bei Fachkollegen und in der Presse hervorrief und 1948 in einer zweiten Auflage erscheinen konnte.59 Nach dem Krieg überarbeitete er die «Russische Kulturgeschichte» mit den neuesten Forschungsergebnissen, fand aber keinen Verleger.60 Auch während der Regierungszeit Adenauers blieben alle seine Bemühungen erfolglos, eine Lehrtätigkeit an einer Universität aufzunehmen.61 Seine 1945/46 formulierten Überlegungen zur Neugestaltung der osteuropäischen Studien an deutschen Universitäten und Volkshochschulen wurden von den Behörden ignoriert.62 Er war und blieb ein «Russenfreund» und damit sowohl für die Nationalsozialisten als auch in der Zeit des Kalten Krieges verdächtig, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass sich jemand für Russland und seine Kultur interessieren konnte, ohne Kommunist zu sein. Erst am 29. Juni 1956 gelang es ihm nach vielen Rückschlägen, eine Wiedergutmachung und die gerichtliche Bestätigung zu bekommen, dass er sowohl in Königsberg als auch in Wien aus politischen Gründen zu Unrecht entlassen worden war.63
59 E. Voigt: Martin Winkler (wie Anm. 14), S. 823; E. Voigt: Als Vermittler (wie Anm. 14), S. 288f.
60 Die letzte Fassung wird in der Münchener Staatsbibliothek aufbewahrt.
61 E. Voigt: Als Vermittler (wie Anm. 14), S. 293ff.
62 Ebd., S. 274–277.
63 Ebd., S. 301.
Für den 63-jährigen war es jedoch zu spät, um erneut ein Lehramt übernehmen zu können. Aber er setzte seine wissenschaftliche Arbeit fort, publizierte Artikel,64 hielt Vorträge und gab die «Russischen Historischen Miniaturen» und die Schriftenreihe «Ikonen»65 heraus, in der acht Bändchen erschienen sind, dabei von ihm selbst die Titel «Festtage» und «Heilige und Heiligenleben.» Zahlreiche weitere Manuskripte wie auch sein Hauptwerk blieben bis heute unveröffentlicht.
64 Vollständige Bibliographie in: Ebd., S. 831. Zum Thema «Ikonen» sind von Winkler erschienen: Von Denkmälern altrussischer Kunst und ihrer Erhaltung im heutigen Russland, in: Das neue Russland 1/2, 1925, S. 23–27; Das Wesen der altrussischen Kunst, in: Osteuropa 1/1925/26, S. 306–332; Wiederentdeckung und Wandlung der altrussischen Kunst, in: Auslandsstudien Bd. 2: Russland, Königsberg/Pr. 1926, S. 109–152; Die Ikone als Quelle zur russischen Kulturgeschichte, in: Osteuropa 4/1928/29, S. 453–459; Die Anfänge der Ikonenforschung in Russland, in: Jahrbücher zur Geschichte Osteuropas (N.F.), München 1/1953, S. 270–281; Das Nichtschlafende Auge, in: Hochland, Februar 1955, S. 294–296.
65 Die Reihe beinhaltet folgende Bände: Bd. 1: H. P. Gerhard: Muttergottes (4. Aufl. 1956), Bd. 2: Martin Winkler: Festtage (1956), Bd. 3: Ulrich Fabricius: Jesus Christus (1957), Bd. 4: Dimitrij Tschižewskij: Der Heilige Nikolaus (1957), Bd. 5: Hermenegild M. Biedermann: Die Passion (1958), Bd. 6: Walter Loeschcke: Apostel und Evangelisten (1958), Bd. 7: Thorvi Eckhardt: Engel und Propheten (1959), Bd. 8: Martin Winkler: Heilige und Heiligenleben (3. Aufl. 1959).
Die geschilderte berufliche Situation und die damit einhergehende sehr unsichere finanzielle Lage Martin Winklers waren für ihn der Anlass, Thomas Grochowiak seine Ikonensammlung zum Kauf anzubieten. Am 13. Januar 1955 schrieb ihm Grochowiak: «Wir möchten in Recklinghausen ein ständiges Ikonen-Museum schaffen und wir würden gerne als Grundlage dazu die jetzt hier gezeigte Ausstellung nehmen. Sie haben mir am Abend unseres Zusammenseins eigentlich schon angedeutet, dass evtl. auch mit der Hergabe Ihrer Ikonen nach und nach zu rechnen sei, dass also der Erwerb für uns nicht ausgeschlossen wäre.»
Martin Winkler antwortet bereits drei Tage spüter: «Was nun Ihren Plan einer ständigen Ikonenausstellung betrifft, so begrüsse ich ihn nicht nur deshalb von ganzem Herzen, weil damit mein alter Wunsch, an einem Ort in Deutschland eine Schulsammlung von Ikonen zu wissen, sich doch noch verwirklichen würde. Ich begrüsse Ihre Initiative aber auch aus einem anderen Grunde. Was immer auch an den Worten Ihres Oberstadtdirektors richtig sein mag, dass die Sovjets heute alle guten Ikonen zurückzuerwerben suchen, eins steht auf jeden Fall fest: aus Russland heraus wird kein wirklich gutes Stück mehr kommen. Und so kann nur der noch auf die Einrichtung eines Ikonenmuseums hoffen, der die wenigen guten, im Abendland befindlichen Stücke aufspürt und zu erwerben sich bemüht. Denn in kurzer Frist wird dieses knappe Angebot erschöpft sein und alle anderen Museumsleiter, die dann — und das wird sicherlich eines Tages geschehen —, wenn auch mit grössten Mitteln, eine Ikonensammlung einrichten wollen, haben das Nachsehen. [...] Mein Wunsch geht dahin, dass alle meine Ikonen — auch die fünf, die Sie noch nicht kennen — später einmal beisammen bleiben und dass sie nach Möglichkeit, um zukünftiger Zersplitterung vorzubeugen, auch nicht in private Hand kommen.» Am 19. Februar 1955 fügt er hinzu: «So vertraue ich also dem Museum Recklinghausen, das zu meiner Freude dank Ihres Weitblickes und Ihrer Initiative das dringend notwendige Ikonenmuseum einrichtet, und der Stadt Recklinghausen, die damit erneut beweist, dass in ihr wirklich lebendiges Kulturbewusstsein wirksam ist, den Teil meines Lebenswerkes an, das mir über viel schwere Stunden geholfen hat. Gerade aus diesem gänzlich unmateriellen Grund bin ich dankbar, dass ich meine geliebten Ikonen in Händen weiss, die für ihre Pflege stets das Beste tun werden.»
Und es war auch Martin Winkler, der 1961 die Museumsleitung auf die Idee brachte, die Sammlung durch frühchristliche und in erster Linie koptische Werke zu erweitern. Sechzehn durch ihn erworbene Werke bildeten den Grundstock für die Sammlung, die seit 1977 im zweiten Obergeschoss des Ikonen-Museums ausgestellt ist und schon längst zu den wichtigsten der Bundesrepublik gehört.66
66 Martin von Falck, Cäcilia Fluck und Eva Haustein-Bartsch: Die Koptische Sammlung im Ikonen-Museum Recklinghausen, München 1996, S. 3. Aus der Sammlung Winkler kamen u.a. die Katalognummern 1 (Inv. Nr. 503), 9 (Inv. Nr. 514), 26 (Inv. Nr. 509), 31 (Inv. Nr. 505), 50 (Inv. Nr. 214), 52 (Inv. Nr. 231), 54 (Inv. Nr. 238), 60 (Inv. Nr. 513) und 72 (Inv. Nr. 510).
Trotzdem muss es im Grunde für ihn sehr schmerzlich gewesen sein, seine Sammlung von Ikonen zu verkaufen. Dies zeigte sich darin, dass er nie mit seiner vierten Frau Ursula, die er im Januar 1971 heiratete, nach Recklinghausen fuhr, um ihr seine früheren Schätze zu zeigen.67
67 Erika Voigt in einem Brief an die Autorin vom 1. Januar 2003. Winklers zweite Frau war Nora Sylvia Eugenie (1889–1954), geb. Kapp von Gültstein, früher Gräfin von Beroldingen, laut Schreiben von Baronin Magda Ostmann, in: Winkler: Zwischen Moskau und Archangelsk (wie Anm. 45), S. 198. Siehe auch: Daniel Gotzen, Von der Gäubahn zur Bagdadbahn — Otto Kapp von Gültstein, in: Roman Janssen/Oliver Auge (Hrsg.), Herrenberger Persönlichkeiten aus acht Jahrhunderten, Herrenberg 1999 (Herrenberger Historische Schriften; 6), S. 366. Die Ehe wurde 1932 in Berlin geschlossen und 1949 geschieden. Über die dritte Ehe Winklers ist mir nichts bekannt. Seine vierte Ehefrau Ursula, geb. am 29. August 1921, verstarb am 23. Januar 2007.
Seine erste Ikone hatte Martin Winkler auf dem bekannten Trödelmarkt am Sucharev-Turm in Moskau erworben, der jeden Sonntagvormittag stattfand:68 «gutes ausgehendes 17. Jahrhundert, keine schlechte Arbeit, jedoch in erbärmlichem Zustand. Die zwanzig Rubel, die ich für sie bezahlte, haben sich für mich gelohnt. Denn an ihr habe ich, dann in Königsberg, die Reinigung der Ikonen, d.h. ihre Befreiung von späteren Übermalungen erprobt. Meine Freunde in der Restaurierungswerkstätte in Moskau hatten mich, mit großer Geduld, in diese Technik eingeweiht.»69
68 Winkler: Zwischen Moskau und Archangelsk (wie Anm. 45), S. 16.
69 Martin Winkler: Bericht über meine Reisen in der Sowjetunion 1979, S. 117, Nachlass Martin Winkler, zitiert nach einem Manuskript von E. Voigt.
Aber nicht nur Ikonen in engerem Sinne interessierten ihn, sondern er sammelte und erforschte auch Objekte der Volkskunst. Darunter waren viele kirchliche Gegenstände wie Kreuze (Inv. Nr. 237, 42670), Messkelche, Votivtafeln, Stickereien wie eine Pelena mit der Darstellung der Muttergottes von Vladimir aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts (Inv. Nr. 65)71 und Skulpturen wie eine Holzstatuette des Asketen und Klostergründers Nil Stolbenskij aus dem 19. Jahrhundert (Inv. Nr. 188)72.
70 Haustein-Bartsch: Ikonen-Museum (wie Anm. 30), S. 66 mit Abb.
71 Alexandra Sucrow: Griechische und russische Goldstickereien des Ikonen-Museums Recklinghausen (Monographien des Ikonen-Museums Recklinghausen Bd. III, hrsg. v. E. Haustein-Bartsch u. F. Ullrich), Recklinghausen 1995, S. 49ff., Abb. S. 51; Bentchev/Haustein-Bartsch: Muttergottesikonen (wie Anm. 33), S. 198, Abb. S. 199, Kat. Nr. 218.
72 1000 Jahre Orthodoxe Kirche in der Rus' 988–1988. Russische Heilige in Ikonen, Recklinghausen 1988/89, Kat. Nr. 139, Abb. S. 91.
Winkler brachte die kulturhistorischen Gegenstände und Ikonen für seine umfangreiche Privatsammlung von seinen vielen Reisen mit, erwarb aber auch einiges auf Auktionen und aus Privatnachlässen in Deutschland. Leider besitzen wir keine Informationen darüber, wo und wann er welche Objekte erworben hat. Acht Ikonen, die schon damals in seinem Besitz waren, wurden in der Ausstellung «Byzantinisch-russische Monumentalmalerei» im Lichthof des Alten Kunstgewerbemuseums in Berlin vom 3. November bis 5. Dezember 1926 ausgestellt. Zu den dort gezeigten Ikonen aus Winklers Besitz gehörten die wunderschöne und thematisch seltene Ikone «Das Nichtschlafende Auge» aus dem 16. Jahrhundert (Inv. Nr. 16)73, eine Muttergottes Kasperovskaja mit einem Basma aus getriebenem Silberblech vom Beginn des 18. Jahrhunderts (Inv. Nr. 58)74, eine Verkündigung an Maria aus dem 17. Jahrhundert (Inv. Nr. 89)75, die Ikone «Entschlafen der Muttergottes» im Stil des 15. Jahrhunderts (Inv. Nr. 94), die jedoch in vielen Partien stark übermalt ist,76 die «Feurige Himmelfahrt des Propheten Elija» aus dem frühen 17. Jahrhundert (Inv. Nr. 127)77 sowie ein früher oft publizierter «Drachenkampf des hl. Georg» (Inv. Nr. 172), der sich inzwischen jedoch als Fälschung erwiesen hat.78
73 Byzantinisch-russische Monumentalmalerei (Veröffentlichungen des Kunstarchivs; 22/23), Berlin 1926, Anhang Nr. 9; Haustein-Bartsch (wie Anm. 30), S. 28, Abb. S. 29; Eva Haustein-Bartsch: «Siehe, der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht». Zur Ikonographie des «Nichtschlafenden Auges» in der Kunst des christlichen Ostens, in: Karl Christian Felmy/Eva Haustein-Bartsch (Hrsg): «Die Weisheit baute ihr Haus», München 1999, S. 213–250.
74 Byzantinisch-russische Monumentalmalerei (wie Anm. 73), Anhang Nr. 14; Bentchev/Haustein-Bartsch: Muttergottesikonen (wie Anm. 33), S. 120, Abb. S. 121.
75 Byzantinisch-russische Monumentalmalerei (wie Anm. 73), Anhang Nr. 2; Wladimir Lindenberg: Die heilige Ikone, Stuttgart 1987, S. 26 und Farbtafel auf S. 27.
76 Byzantinisch-russische Monumentalmalerei (wie Anm. 73), Anhang Nr. 4; Thomas Grochowiak (Hrsg.): Kunstschätze in Recklinghausen, Recklinghausen 1972, S. 73, Farbtafel S. 72.
77 Byzantinisch-russische Monumentalmalerei (wie Anm. 73), Anhang Nr. 10, Abb. S. 70; Haustein-Bartsch (wie Anm. 30), S. 88, Abb. S. 89; Angelika Büchse: Tiere auf Ikonen. Ikonen-Museum Recklinghausen. Biblische Geschichten und Heiligenlegenden für Kinder und Erwachsene, Recklinghausen 2006, Farbtafel S. 27.
78 Byzantinisch-russische Monumentalmalerei (wie Anm. 73), Anhang Nr. 3; Heinz Skrobucha: Ikonen (Die bibliophilen Taschenbücher Nr. 315), Dortmund 1982, Abb. S. 84.
Aus der Ausstellung, die vor allem Kopien mittelalterlicher Fresken aus den Lehrsammlungen des russischen Reichsinstituts für Kunstgeschichte in Leningrad vorstellte, erwarb Winkler eine 137,5 x 64,5 cm große Kopie des 1199 geschaffenen Freskos «Die Schlafenden Apostel in Gethsemane» aus der Erlöserkirche von Neredica bei Novgorod, die 1925 von dem Kopisten M. V. Kaljfa geschaffen wurde (Inv. Nr. 670) und 1966 aus Winklers Sammlung in das Ikonen-Museum kam.79
79 Byzantinisch-russische Monumentalmalerei (wie Anm. 73), Nr. 12, Abb. S. 56. Das Original wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Am 18. Februar 1929 nahm Winkler an der Eröffnung der Ausstellung «Denkmäler altrussischer Malerei. Russische Ikonen vom 12.–18. Jahrhundert» im Berliner Kunstgewerbemuseum teil, die vom Volksbildungskommissariat der RSFSR und der Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas gemeinsam organisiert worden war und anschließend in Köln, Hamburg, Frankfurt a.M. und München gezeigt wurde.80 In einer begleitenden Vortragsreihe sprachen Igor' Grabar', Prof. Oskar Wulff, Prof. Philipp Schweinfurth und Prof. Martin Winkler. Er hielt am 8. März einen Vortrag über «Altrussische Ikonen als kulturhistorisches Quellenmaterial».
80 Zur Ausstellung erschien ein schmaler Katalog mit einem kurzen Einführungstext von Igor' Grabar'. Der ursprünglich dafür vorgesehene, mit 73 maschinenschriftlichen Seiten sehr ausführliche Beitrag von Aleksandr Anisimov war kurzfristig zurückgezogen worden (siehe Anm. 48). Da Anisimov nicht selbst die Delegation nach Deutschland begleiten durfte, gab er offenbar diesen Text seinem Freund Martin Winkler mit, in der Hoffnung, dass er eines Tages seine Leser finden werde. Ich danke Erika Voigt für die Überlassung ihres Manuskripts, in der sie die Umstände der Ausstellung von 1929 und die Rolle Anisimovs schildert.
Winkler sollte in dieser Zeit im Auftrag der Sowjetregierung den Verkauf von Ikonen nach Deutschland vermitteln, hatte aber damit offenbar wenig Erfolg. Als er dem Berliner Kaiser-Friedrich-Museum 1931 wertvolle Ikonen zu sehr moderaten Preisen anbot, soll dessen Direktor Max Friedländer (1867–1958) den Ankauf mit der Bemerkung abgelehnt haben: «Ikonen sind keine Kunst.»81
81 Kämpfer: Martin Winkler (wie Anm. 54), S. 315 und Anm. 6. Schreiben von Winkler an Kämpfer vom 11. Juli 1976.
Am 23. Dezember 1936 berichtete die «Neue Freie Presse» in Wien über die Ikonenschätze des neuen «Inhabers der Kanzel für osteuropäische Geschichte an der Universität Wien»: «Die Sammlung des Professors Winkler in der Salesianergasse, das ist in ihrer Art eine neue Wiener Sehenswürdigkeit. Kaum ein anderer Privatsammler in Europa dürfte heute eine auch nur annähernd zahlreiche Kollektion von alten russischen Kreuzen und Amuletten besitzen.» Außerdem werden Messkelche, Holzplastiken, zwei Stickereien und natürlich die Ikonen sowie Manuskripte erwähnt.82
82 Für eine Kopie des Zeitungsartikels «Eine Ikonensammlung in Wien» danke ich Erika Voigt.
Wie reichhaltig seine Sammlung war, zeigt sich auch an den vier Miniaturen, die in das Ikonen-Museum gelangten: Zwei wertvolle Buchmalereien aus Armenien, die in den Beginn des 17. Jahrhunderts datiert werden (Inv. Nr. 21, 184)83, und zwei russische Miniaturen mit Szenen aus dem Leben des hl. Nikolaus (Inv. Nr. 270, 271) aus dem 18. Jahrhundert.
83 Bentchev: Engelikonen (wie Anm. 36), S. 22–25, Abb.; Armenien. Wiederentdeckung einer alten Kulturlandschaft, Ausstellungskatalog Bochum 1995, Kat. Nr. 178 und 179, S. 251; Hanna Wiemer-Enis: Armenische Miniaturen im Besitz des Ikonen-Museums Recklinghausen, in: Revue des Etudes Arméniennes 28/2001/2002, S. 425–441.
Zu den bedeutendsten Ikonen, die aus Winklers Besitz nach Recklinghausen kamen, gehören eine Nikolausikone aus dem 16. Jahrhundert (Inv. Nr. 156)84 sowie zwei hervorragende Novgoroder Ikonen aus dem 15. Jahrhundert, nämlich eine Verkündigung (Inv. Nr. 90)85 und eine Darstellung des hl. Demetrios auf rotem Grund (Inv. Nr. 176)86. Besonders bemerkenswert sind ferner ein großformatiges Mandylion aus der Zeit um 1800 (Inv. Nr. 630)87, die detailreich gemalten Flügel eines russischen Triptychons aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts (Inv. Nr. 203)88 sowie die Darstellung des Glaubensbekenntnisses, die in feinster Malerei in der Zeit um 1800 in dem zentralrussischen Malerdorf Palech geschaffen wurde (Inv. Nr. 81)89. Einige der wichtigsten Ikonen der Recklinghäuser Sammlung kamen somit aus der Kollektion von Martin Winkler. Sie bilden bis heute den sehr qualitätvollen Grundstock des Ikonen-Museums, an dem sich die spätere Sammeltätigkeit zu orientieren hatte.
84 Haustein-Bartsch (wie Anm. 30), S. 108 mit SW-Abb.
85 Ebd., S. 57, Abb.
86 Ebd., S. 105, Abb.
87 Ebd., S. 18, Abb.; Daniel Spanke: Das Mandylion. Ikonographie, Legenden und Bildtheorie der «Nicht-von-Menschenhand-gemachten Christusbilder» (Monographien des Ikonen-Museums Recklinghausen Bd. V), Recklinghausen 2000, S. 80ff., Titelbild u. Farbabb. S. 81.
88 Haustein-Bartsch (wie Anm. 30), S. 52f. mit Farb-Abb.
89 Ebd., S. 82f., Abb.
Prof. Aleksandr Ivanovič Anisimov, den Winkler auf seiner Reise 1924 kennen gelernt hatte, schenkte ihm eine Ikone aus seiner eigenen Sammlung, für die er die Ausfuhrgenehmigung besorgte.90 Leider ist nicht bekannt, um welche Ikone es sich handelte und ob sie in die Sammlung des Ikonen-Museums gelangt ist. Dies trifft auch auf die Stücke seiner Sammlung zu, die aus dem Besitz des Kunsthistorikers Dimitrij Ajnalov (1862–1939) stammen sollen.91 Mit Anisimov verband Winkler eine besonders enge Freundschaft. Wie er in einem Brief von 1976 an Frank Kämpfer betont, verdankt er ihm, «der um 1931 spurlos aus Moskau verschwunden war, ... die erste Einführung in die Welt der Ikonen.»92 Inzwischen wissen wir, dass Anisimov 1930 vom KGB verhaftet und 1937 hingerichtet wurde. Unter anderem wurden ihm seine Kontakte zu ausländischen Wissenschaftlern wie Fannina Halle, die er nach eigener Aussage 1911 kennengelernt hatte, und Martin Winkler zur Last gelegt.93 Winkler hatte nie mehr etwas von ihm gehört, aber sein Andenken auch dadurch bewahrt, dass er das von dem Künstler Aleksej Il'ič Kravčenko (1889–1940) 1915 für Anisimov gestaltete Exlibris-Motiv als Vorlage für sein eigenes verwendete.94
90 Dies gab er bei einem Verhör am 16. Oktober 1930 zu Protokoll. Siehe И. Л. Кызласова: Анисимов (wie Anm. 46), S. 75; И. Л. Кызласова: История отечественной науки об искусстве Византии и Древней Руси 1920–1930 годы по материалам архивов, Moskau 2000, S. 339 und 341. Aleksandr I. Anisimov wurde im KZ des Solovki-Klosters gefangengehalten und am 2. September 1937 erschossen.
91 Anneliese Schröder (Hrsg): Drei Museen in Recklinghausen, Recklinghausen 1986, S. 61.
92 Schreiben von Martin Winkler an Frank Kämpfer vom 11. Juli 1976. Ich danke Prof. Dr. Kämpfer für die Überlassung seines Briefwechsels mit Winkler aus der Zeit ab 1976.
93 Кызласова: Анисимов (wie Anm. 46), S. 72. Zu Winklers Freundschaft mit Anisimov siehe auch E. Voigt: Als Vermittler (wie Anm. 14), S. 303–307.
94 М. С. Базыкин: Книжные знаки А. И. Кравченко, Moskau 1924.
Martin Winkler starb am 3. August 1982 im Alter von 88 Jahren in Feldafing am Starnberger See.95
95 Eva Haustein-Bartsch: Zum 100. Geburtstag von Prof. Dr. Martin Winkler, in: Mitteilungsblatt der Gesellschaft EIKON e.V., Dezember 1993, S. 3 f. und zwei Artikel von Elisabeth Höving in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 11. Oktober 1993 und vom 23. Dezember 1993.